Solanges zweiter Opus glänzt von Zusammenhanglosigkeit. Und genau das ist die Signatur der Sängerin.
When I Get Home
„Can I hold the mic?“Das Mikrofon hält Solange Knowles in den 19 Tracks ihres Albums nicht immer alleine, ihre Lyrics und Musik dominieren jedoch diesen zweiten selbstgeschriebenen Opus. Eine atypische Zusammensetzung von Melodien und verschiedener Musikstile vermischen sich in „When I Get Home“ mit befreienden Diskursen.
Der erste Song, „Things I imagined“, warnt den Zuhörer im Voraus: Manches könnte erfunden sein, vieles entspringt aber aus Visionen einer anderen Gesellschaft, oder vielleicht einer besseren Welt. Interludien dienen als Übergänge zwischen den verschiedenen Songs. Die Texte wiederholen sich, wirken anaphorisch, psychedelisch, kreieren eine unbeschreibliche Aura. Diese Songs sind nicht für kommerziellen Geschmack oder mainstream Erfolge gedacht. Es haben zwar mehrere Künstler wie Pharell Williams, Gucci Mane, Tyler the Creator, Panda Bear oder auch Sampha an seiner Entstehung mitgewirkt, der Kern bleibt aber ganz im Stil von Solange: jazzig, groovy, fast balladenartig, widersprüchlich genial.
Mit „A Seat at the table“ hatt Solange Knowles 2016 ihr erstes Album veröffentlicht. Politische Haltung stand im Zentrum der 21 Songs, die sich hauptsächlich mit den Alltagserfahrungen schwarzer amerikanischer Frauen beschäftigt.Mit „Don’t Touch My Hair” sprach sie die allgemeine misplatzierte Verwunderung um die Haare schwarzer Frauen an. Sie performte Lieder aus dem Album während des Peace Balls in der Nacht vor Trumps Amtsantritt im Januar 2017. Angela Davis betitelte ihre Lieder damals als die Hymnen eines Widerstandes.
Generell ist Solange Knowles weniger in opulenten Repräsentationen als ihre Schwester Beyoncé unterwegs. Die 32-jährige beweist in den visuellen Darstellungen ihrer Musik anstatt dessen immer wieder ein fundiertes Mode- und Kunstwissen. In dem Video zu „Cranes in the Sky” trägt die Sängerin gemeinsam mit ihren Tänzerinnen ein Kleid, das sie als Gruppe durch mehrere Stoffbahnen verbindet – wie 1999 auf dem Laufsteg bei Issey Miyake zu sehen. Ihre künstlerisch alternativere Herangehensweise platziert sie oftmals im Zentrum eigenartiger Kunst-Performances, mit hervorragenden Choreographien verbunden. Feste Kameraeinstellungen stellen sanfte und ruckartige Bewegungen im Kontrast dar. Das Ergebnis ist oft, wie ihre Musik, als gesamte Atmosphäre zu verstehen.
Zu „When I get home“ wurde noch kein Clip veröffentlicht, doch wir können uns auf neue visuelle Herausforderungen freuen. Kurz nach dem Drop ihres Albums, brachte Solange nämlich auch einen Kurzfilm raus, der den gleichen Titel wie das Album trägt. Auf Instagram bereits angeteasert, verspricht das von Solange orchestrierte Werk interessantes Bildmaterial für Musik-Videos zum Album. Der Opus endet mit dem dem Song „I’m a witness“. Solange agiert hier als Zeugin unserer Zeit, in ihrer komischen Zusammenhangslosigkeit, die uns verwirrt und doch unsere Tage nach und nach rhythmisiert.
Text: Juliane Clüsener-Godt
Bild: YouTube