Der Bluttest als Kassenleistung? Verschiedene Standpunkte; verschiedene Perspektiven.
“Warum sollen wir nicht leben?”
Ostern ist vor Pfingsten und Weihnachten der höchste Feiertag der Christen. An Ostern feiern sie die Auferstehung Jesu und seinen Sieg über den Tod. Etwas mehr als eine Woche liegt Ostern nun zurück und damit Ein ganz besonderes Wochenende – ganz besonders geeignet, um heute über Leben und Tod nachzudenken.
Um Fehlbildungen beim ungeborenen Kind zu erkennen, gibt es einige Tests für Schwangere. Dazu zählt etwa die Fruchtwasseruntersuchung, deren Kosten von Krankenkassen übernommen werden. Diese birgt allerdings mehr Risiken als ein Bluttest, der allerdings bislang keine Kassenleistung ist. Mithilfe entnommener DNA-„Schnipsel“ kann ermittelt werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit, unter anderem für eine Trisomie 21 (Down-Syndrom), ist. Wird mithilfe eines solchen Tests tatsächlich eine Behinderung am Ungeborenen entdeckt, darf bis zur 22. Schwangerschaftswoche eine Abtreibung vorgenommen werden. Das ist schon seit 2012 möglich. Jetzt diskutiert der Bundestag, ob der Test künftig ebenfalls von den Krankenkassen finanziert werden soll. Die Kosten für einen solchen Test belaufen sich bisher auf rund 130 Euro und mehr. Viele kritisieren: Nicht alle Familien können sich das leisten. Gegenstimmen halten eine Diskriminierung behinderten Lebens als eine mögliche und schwerwiegende Folge. Der Bundestag ringt bislang um Antworten.
Es gibt viele Gründe die für oder gegen die Finanzierung eines solchen Tests sprechen. Die Artikel bieten einen Einblick in verschiedene Standpunkte; aus verschiedenen Perspektiven.
„Ich wünsche mir ein Kind mit Downsyndrom“
Natalie Dedreux lebt mit Downsyndrom. Die junge Aktivistin und angehende Journalisten erklärt nicht nur warum sie gegen einen Praenatest ist, sondern erzählt über ihr eigens Leben und beweist warum ein Leben mit Trisomie ebenso lebenswert ist, wie das Leben eines jeden Anderen – eben auch „normal“:
„Ich möchte auch Mutter werden. Ich wünsche mir ein Kind mit Downsyndrom. Dann wäre es genau so normal wie ich. Einfach normal sein. Wenn es nicht das Downsyndrom hätte, bringe ich es trotzdem zur Welt. Aber lieber Downsyndrom. Ich würde mein Baby im Bauch nicht wegen einer Behinderung untersuchen lassen. Nur den Bauch. Um zu gucken, ob das lebensfähig ist oder nicht. Wenn es nicht lebensfähig wäre, würde ich es trotzdem zur Welt bringen. Ich kann das doch nicht einfach so abbrechen.”
Kirsten Achtelik, Diplom-Sozialwissenschaftlerin und Journalistin, ist wie Natalie Dedreux grundsätzlich gegen die Tests. Mit ihrem Beitrag von 2015 richtet sie sich dabei auch gegen die Stimmen von Feministinnen. Ihr Gegenargument lautet gesellschaftlicher Druck, der durch die Möglichkeit vorgeburtlicher Diagnostik entstehen (kann). Achtelik kritisiert dabei das ganze System der Risikoberechnung, der Suche nach der Normabweichung ,deren Problematisierung und thematisiert das Recht auf Selbstbestimmung – welches Hauptargument für eine Finanzierung in dieser Debatte ist:
„Nein. Die Frage, wie selbstbestimmt wir wirklich sind, ist eine grundsätzliche. Niemand – nicht Frau, nicht Mann – ist komplett selbstbestimmt, wir unterliegen immer gesellschaftlichen Einflüssen. Einer Schwangeren wird von Ärzten suggeriert, dass es Standard ist, vor der Geburt alles Mögliche abklären zu lassen. Auch das Umfeld macht mit, Fragen wie “Ist alles in Ordnung mit dem Baby?” oder “Hast du diese oder jede Untersuchung schon gemacht?” werden Schwangeren ständig gestellt. Wer keine pränatale Diagnostik wünscht, muss sich gegen viele Widerstände durchsetzen und sehr gut informiert sein. Anders gesagt: Um ihr Recht auf Nicht-Wissen durchzusetzen, muss eine Frau erst mal sehr viel wissen.“
„Wir wollen doch nur ein gesundes Kind“
Familie Hartmann hat zwei Kinder. Einer ihrer Söhne hat das Fragile-X-Syndrom. Jetzt wünschen sie sich ein gesundes Kind und „Dank“ des Gentests haben sie drei Mal verhindern können eine weiteres Kind mit eine Behinderung zur Welt zu bringen. Ihre Geschichte erzählt die Geschichte von Eltern, die wissen wie schwierig es sein kann für ein Kind mit Trisomie zu sorgen. Ihrr Wunsch nach einem gesunden Kind beweist dies:
„Die Hartmanns haben noch ein zweites Kind, Elias. Er ist gesund und sieben Jahre alt. Nun wollen sie noch ein drittes. Susanne Hartmann war bereits dreimal wieder schwanger. Dreimal stellten die Ärzte bei der vorgeburtlichen Untersuchung, der sogenannten Pränataldiagnostik, fest, dass das Ungeborene das Fragiles-X-Syndrom hat. Dreimal entschied sich das Paar daraufhin für einen Schwangerschaftsabbruch. „Selbst der Frauenarzt konnte es einfach nicht fassen. Er war es dann auch, der mir eine Präimplantationsdiagnostik (PID) vorschlug“, erzählt Hartmann.“
Erste Debatte im Bundestag: Trisomie-Tests: Kleines Ja mit großem Aber
Ein kleine Zusammenfassung der bisher im Bundestag abgehaltenen Positionen. Vier zentrale Betrachtungsweisen, die es zu diskutieren gibt – die sowohl ethisch als auch sozialer Natur sind:
„Einfache Antworten gibt es nicht. Die Abgeordneten im Bundestag machen es sich an diesem Donnerstag auch nicht leicht, als sie zwei Stunden lang den Parlamentsbetrieb für ein hochbrisantes Thema reservieren. Fast 40 Redner wollen dazu etwas sagen. Sollen Bluttests an Embryonen auf Trisomie, die ab der neunten Schwangerschaftswoche seit 2012 legal auf dem Markt sind, künftig für Frauen mit Risikoschwangerschaft von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden? Das müssen zwar im Moment nicht die Abgeordneten entscheiden, sondern die Frage liegt bis Herbst auf dem Tisch von Ärzte-, Klinik- und Kassenvertretern, dem Gemeinsamen Bundesausschuss. Die Bluttests berühren aber ganz viel.“
Ein Thema, das uns wohl noch bis Herbst beschäftigen wird. Es gibt wohl keine richtige, keine falsche Meinung. Alle Diskussionspunkte finden wohl ihre Berechtigung, je nachdem aus welcher Perspektive man sich der Debatte zuwendet.
Text: Teresa Löckmann
Bild: Unsplash