Von der Sehnsucht nach Natur und Grenzenlosigkeit

vor 8 years

Fräulein im Interview mit Künstlerin Heleen Blanken: Zum Anlass seiner Herbst/Winter-Kollektion 2016 hat sich das italienische Label Napapijri mit der niederländischen Künstlerin Heleen Blanken zusammengetan, um uns auf eine visuelle und akustische Reise mitzunehmen. Mit Fräulein sprach Blanken über ihr stärkstes Verlangen, das ihre Arbeit von Anbeginn inspiriert.

Sehnsüchte und Leidenschaften sind wahrscheinlich die kratftvollsten Inspirationsquellen eines jeden Künstlers. Die Individualisten, die die Welt mit Wertschätzung und Liebe zur Kunst betrachten, will Napapijri seit seiner Gründung im Jahre 1987 adressieren, passionierte Entdecker sind seine Leitbilder. Heleen Blankens Diskurs zwischen industrieller Dekonstruktion und der Schnönheit der Natur hat die italienische Marke dazu bewegt, eine Kollaboration zu starten, für das die Künstlerin ein Bespoke-Stück kreiert hat, in dem vier Konzertflügel in einem von ihr gestalteter Raum auf erhöhten Plattformen von weltbekannten Konzertpianisten gespielt werden, während Gestaltungselemente von Blanken die Musik interpretieren. Ein Gespräch über ewige Leidenschaft.

Fräulein: Was bedeutet Natur für dich und inwiefern beeinflusst dich diese und deine Arbeit?
Heleen: Für mich ist Natur ein Lebensretter in vielerlei Hinsicht. Sie hilft mir, mich herunterzubringen und meinen Geist zu beleben. Sie hält mich fit. Die Natur hat so viele Geheimnisse und Wunder zu enthüllen. Wenn du zum Beispiel im Wald spazieren gehst oder vor einem Berg stehst, kann das eine unglaubliche Wirkung auf dich haben. Die Magie aus der Karft der Natur zu spüren ist glaube ich das Wundervollste, was ich in meinem Leben gefühlt habe. In meiner Arbeit versuche ich der Natur eine ganz besondere Präsenz zu geben, so besonders es nur geht, vielleicht auch, weil ich es vermisse, von Natur umgeben zu leben und so in meinem Leben eine Lücke schließen muss.

Wo genau bist du denn aufgewachsen?
Ich bin in einem kleinen Farmer-Haus groß geworden und als ich mit 17 Jahren in die Stadt gezogen bin, vermisste ich auf einmal ganz stark die großen, weiten Felder aus meiner Kindheit. Irgendwann möchte ich wieder in der Natur leben.

Was für eine Reise hat dich in deinem Leben am meisten beeindruckt und geprägt?
Mein Trip nach Island! Ich wurde beauftragt einen Film zu produzieren und glücklicherweise wurde Island zur Kulisse. Das Land dort ist wild. Egal wo du hinläufst, du spürst die pure Kraft der Erde. So entwicklst du instinktiv ein Gefühl zwischen Respekt und Bescheidenheit, manchmal ist es fast angsteinflößend, denn du fühlst dich im Vergleich zur Natur aufeinmal so klein. Dieses Gefühl ist wunderbar!

Was bedeuten “Grenzen” für dich persönlich? Wie versuchst du sie zu beeinflussen?
Grenzen bedeuten viel, wenn du entscheidest, ihnen zu folgen. Wenn du den Weg gehst, den jeder läuft, wird dir das Leben Grenzen aufzeigen. Es ist einfacher sich zu entscheiden, nicht anders zu sein, die meisten Menschen wollen sich letztendlich anpassen. Wenn du entscheidest, deinem Herzen zu folgen, wirst du sehen, dass vieles möglich ist. Die Grenzen exsitieren lediglich in deinem Kopf. Manchmal denke ich, dass durch moderne Technologien Grenzen immer mehr verschwinden. Wenn man an all die Dinge denkt, die in der Zukunft möglich sein werden, scheint es, als gäbe es keine Regeln mehr. Nur noch die Natur folgt einer Form, die irgendwie stabil ist. Möglicherweise hat die Natur keine Grenzen, allerings weist die Mathematik der Natur Regeln auf.

Hast du jemals einen Survival Trip gemacht?
Nein, das habe ich noch nie, aber ich würde es sehr gerne. Wenn ich irgendwo im Urlaub bin, dann liebe ich es, stundenlang durch die Natur zu laufen. Ich würde wahnsinnig gerne einen Survival Trip durch den brasilianischen Regenwald machen und tagelang im Wald leben.

Ist es heute essentiell geworden für eine Künstlerin oder einen Künstler mindestens zwei Sinne zu adressieren, um Menschen zu erreichen? Vielleicht als Phänomen unserer neuen Generation?
Seit meinem Kunststudium habe ich immer Musik gehört, wenn ich durch Museen gelaufen bin. In der Lage zu sein, einen Track zu wählen, um den Mood der Kunstwerke zu verändern, war eine großartige Sache. Ich glaube, so etwas verbindet dich wirklich mit der Kunst, es gibt dir das Gefühl, in einer ganz eigenen Welt zu sein. Getrennt von allem anderen. Musik hatte immer einen großen Einfluss für mich und in der Lage zu sein, diese zwei Sinne zu verbinden, ist fantastisch. Ich hatte zwei Installationen im “Stedelijk Museum” und im “Rembrandt House Museum”, es waren Installationen mit Skulpturen und Soundtracks von Komponist Peter van Hoesen, ein großartiger belgischer Künstler, sowie von Aquatic, ein guter Freund von mir aus Amsterdam. Es war wundervoll mit ihnen zu arbeiten, es war eine andere Art und Weise, skulpturelle, statische Kunst zu betrachten.

Deine Kunst beschäftigt sich mit einem Diskurs zwischen industrieller Dekonstruktion und der Schönheit der Natur. Urban vs. wild. Wann hast du angefangen über diese zwei Pole nachzudenken und wann hast du deine Kunst diesem Thema gewidmet?
Eigentlich von Anfang an, gleich nachdem ich mein Kunststudium abgeschlossen hatte. Dieses Thema wächst und wächst an Bedeutung, denn wir müssen der Natur eine Stimme geben in unserer expandierenden Welt. Ich bin der Meinung, dass wir, so oft es geht, mit diesem Thema konfrontiert werden müssen, aus allen verschiedenen Sichtweisen. Ich stelle in meiner Kunst die Industrialisierung mehr als eine unterlegene Kraft dar. Unsere Kultur gab uns so viele Regeln und Strukturen, die uns von der Natur distanzierten. Ich versuche mit meiner Kunst einen Blick auf den Fakt zu werfen, dass der Weg, dem wir im Leben folgen, nicht die Oberhand nimmt.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Napapijri?
Ich denke, Napapijri hat einen ähnlichen Blick wie ich auf die Schönheit dieser Welt und hat die Idee, den Menschen zeigen zu wollen wie wichtig es ist, die Welt zu beschützen.

Glaubst du, dass dieser Diskurs den Charakter des Menschen verändert?
Ich denke, wir können unsere Augen nicht mehr verschließen. Wir müssten Krieger werden in der Zukunft und verteidigen, was uns allen gehört. Ich hoffe sehr, dass wir im nächsten Jahrzehnt eine starke Wendung machen werden und uns für eine bessere Welt noch sträker einsetzen.

 

Interview: Sina Braetz
Bilder: Napapijri

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