Françoise Sagan – eine umstrittene Heldin.
Über Worte, Stärke, Freiheit und eine Frau
Sex, Drugs and fast cars – alles Dinge, die Autorin Françoise Sagan bis an das Ende ihres Lebens begleiteten. Jemand, der so ein Leben führt, wird selten als Heldin beschrieben, als Vorbild gesehen. Doch genau das ist Françoise Sagan für mich.
Françoise Sagan, gebürtig Françoise Quoirez, wurde 1935 in eine wohlhabende Industriefamilie geboren und studierte Literatur an der Pariser Sorbonne Universität als sie ihr erstes, aufsehenerregendes Werk „Bonjour Tristesse“, schrieb. Kritiker waren empört über ihre freizügigen Schilderungen.
„Whisky, Glücksspiele und Ferraris sind besser als Hausarbeit.“
Das Private, Intime gehörte nicht in die Öffentlichkeit. Über Liebe, Sex und rohe Emotionen sprach man nicht, vor allem nicht als junge Frau. Sie war der Inbegriff von gesellschaftlicher Avantgarde. Sagan warf das verstaubte Bild vom tugendhaften Mädchen über Bord und liberalisierte mit ihren Texten und Taten die in soziale Normen gezwängte Frau.
„Whisky, Glücksspiele und Ferraris sind besser als Hausarbeit.“ Der Trubel machte sie bekannt und wohlhabend und so konnte sie sich ein selbstständiges Leben in vollem Rausch leisten: Sportwagen, Champagner und Affären (mit sowohl Männern als auch Frauen) inklusive. 1957 erlitt sie einen schweren Autounfall, den sie nur knapp und mit schwersten Knochenbrüchen überlebte. Die Schmerzmittel, die man ihr in der Klinik gab, führten zu einer Drogensucht, die sie ihr Leben lang begleiten und sowohl körperlich als auch finanziell ruinieren sollte.
Ich war 16, als ich mir an einem kleinen Bahnhof das Buch „Bonjour Tristesse“ kaufte, ohne auch nur das kleinste bisschen Vorwissen über die Autorin zu haben. Obwohl mein Zug an diesem Tag verspätet war, verpasste ich ihn. So sehr war ich in die Geschichte vertieft über die 17-jährige Halbwaise Cécile, die einen Sommer mit ihrem Vater und seiner Geliebten an der Côte d´Azur verbringt. Ich verschlang die genauen Schilderungen von Liebe, Hass, Manipulation und Trauer, ohne zu wissen, dass Sagan zu dem Zeitpunkt als sie dies schrieb, gerade mal 18 war. Die genauen Beschreibungen von Céciles Bubenhaftigkeit und viele ihrer Gedanken wurden zu meinem Mantra. Sie bewegten mich dazu meine Haare kurz zu schneiden und Sport-BHs zu tragen, die meine Oberweite kaschieren sollten und ich gewöhnte mir das Rauchen an. Ich wollte eine nachdenkliche, mondäne Französin sein – verschwiegen, mysteriös, melancholisch.
Heute gehen mir die Haare bis zur Taille, ich zeige meine Kurven, ich rede viel und gerne, lediglich das Rauchen kann ich inzwischen nicht mehr lassen. Aber auch die Gedanken Sagans, das Infragestellen von Normen und diese gewisse Lebenshaltung von Stärke und Freiheit sind mir geblieben.
Für mich muss eine Heldin nicht perfekt sein, im Gegenteil, sie muss Mensch sein. Ich muss mich auf gewisse Weise mit ihr identifizieren können.Ich weiß bis heute nicht, mit was genau ich mich damals identifizieren konnte. Die Frustration, gezwängt in einer Rolle leben zu müssen? Der Hang zu Exzessen, um Leere zu füllen? Das Schreiben an sich? Wie auch immer, diese Frau hat mich zum Nachdenken gebracht. Die Räder meines Bewusstsein fingen an sich zu drehen. Das unverblümte Menschsein, sich niemals dafür zu entschuldigen, wer man ist, mit Schicksalsschlägen leben und damit umgehen zu müssen, all dies fasziniert mich an Sagan und inspiriert mich, immer wieder gesellschaftliche Richtlinien zu hinterfragen.
So umstritten sie sein mag, so sehr gefällt mir die Botschaft, die sie vermittelt: Totale Freiheit und Selbstbestimmtheit.
Beitrag: Anna-Maria Blatt
Bild: Albert Bonniers Verlag