Musik gegen die Einsamkeit.
So stell’ ich mir die Liebe vor: Bishop Briggs
„You are worthy“–mit diesen Worten richtet sich Bishop Briggs während ihres Konzertes in Berlin an ihre Fans. Das seien Worte, die jeder (inklusive sie selbst), viel zu selten hört, aber viel öfter gesagt bekommen sollte. Der 26-jährigen, in Los Angeles lebenden Musikerin ist es wichtig, ihren Fans zu zeigen, dass sie, auch in schwierigen Situationen, nicht alleine sind. Über die Macht von Musik ist sich die gebürtige Schottin bewusst, deshalb schreckt sie nicht davor zurück, ihre persönlichsten Gefühle und Gedanken mit ihren Zuhörern zu teilen. Mit Fräulein sprach sie über ihr neues Album, die Liebe und darüber, wie man aus Herzschmerz auch etwas Positives ziehen kann.
Fräulein: Woran denkst du als erstes, wenn du an die Liebe denkst?
Bishop Briggs: Um ehrlich zu sein denke ich als erstes an die Musik. Sie ist meine erste, große Liebe und – ganz egal welche anderen, neuen Lieben in mein Leben treten – Musik wird immer da sein und diese besondere Stellung haben.
Seit wann machst du Musik?
Schon solange ich denken kann, ich weiß aber nicht ob sie damals besonders gut war (lacht). Aber meine große Leidenschaft für sie war schon immer da. Musik kann meiner Seele gleichzeitig die größte Freude und den größten Schmerz bringen.
Liebe ist schon immer eines der wichtigsten und beliebtesten Themen, besonders wenn es um Musik, Filme und Kunst geht. Welche Rolle spielt die Liebe in deinem Album „Church of Scars“?
Eine sehr große. Ich bin damals durch eine sehr schwere Trennung gegangen und habe angefangen erste Songs zu schreiben. Am Ende des Albums habe ich wiederum eine neue Liebe gefunden. Es war also ein Prozess, den die Songs repräsentieren. Und natürlich gibt es so viele andere Arten von Liebe, abgesehen von der romantischen, die einen großen Einfluss auf mich hatten: die Freundschaften mit den Menschen, die ich durch meine Arbeit getroffen habe. Auch das sind Beziehungen, die man ebenso pflegen muss und die manchmal auch zu Traurigkeit führen. Es gab so viel, über das ich schreiben wollte. Eine große Inspiration war auch die Arbeit an sich, denn das ist die Beziehung, die einem wohl am meisten abverlangt. Denn diese kann nur dadurch bestehen, dass man jeden noch so kleinen Teil von sich vollständig dafür hingibt.
Gibt es einen Song auf deinem Album, den du als Liebeslied einordnen würdest?
Ganz klar: „Water“. Eigentlich ist es schwierig das zu sagen, denn alle Lieder wurden aus Liebe geschrieben, aber oft spielt der Verrat der Liebe hier eine größere Rolle. Ich muss immer an das Zitat aus dem Film Closer (Hautnah) denken. Anna, gespielt von Julia Roberts, sagt zu Dan, gespielt von Jude Law: „Love bores you.“ Er antwortet mit: „No, it disappoints me.“ Ein Großteil meines Schreibens hat so viel mit der Enttäuschung über die Liebe zu tun. Aber bei „Water“ fing gerade ein neues Kapitel in meinem Leben an, in dem ich jemandem begegnet bin, der mich respektiert und mir plötzlich eine ganz neue Welt aufgezeigt hat. Deshalb würde ich sagen, dass „Water“ ein ehrliches, aufrichtiges Liebeslied ist.
"I sink in you like water"
Erinnerst du dich an das erste Liebeslied, das du jemals geschrieben hast?
Ja! Ich habe wahrscheinlich bis zu diesem Zeitpunkt schon unzählige Songs geschrieben, aber Liebeskummer hatte ich zum ersten Mal als ich 16 Jahre alt war. Ich habe diesen Song geschrieben, in dessen Hook es heißt: „You ruined the innocence of us“, denn das war es, was er getan hat. Mit seiner verrückten, grausamen Art hat er unsere reine Beziehung zerstört. Bei diesem Song habe ich mich erstmals mit einem gebrochenen Herzen beschäftigt und deshalb ist es der erste Lovesong, den ich je geschrieben habe.
Deine Lyrics sind sehr persönlich, du gewährst tiefsten Einblick in deine Gedanken und teilst auch auf Social Media Zitate aus deinem Tagebuch. Hast du niemals Angst, zu viel von dir zu zeigen und dich damit zu angreifbar zu machen?
Wir haben heute, mehr denn je, diese große Chance. Und entweder man hat Angst davor oder nutzt sie zum Positiven. Ich habe so eine große Reichweite, die ich dafür nutzen kann, dass sich andere –ebenso wie ich – weniger alleine fühlen. Das hoffe ich zumindest. Den Großteil meines Tagebuches behalte ich jedoch für mich, Privatsphäre ist mir ebenso wichtig.
Und Lyrics können wirklich bestärkend sein. Besonders dein Song „White Flag“ scheint eine Hymne für deine Fans zu sein, die ihnen viel Kraft gibt. Welche Interpreten hörst du, wenn du Kraft brauchst?
Ich liebe Menschen, die die Wahrheit erzählen. Künstlerinnen wie Janis Joplin, Etta James oder Aretha Franklin. All diese Old School-Künstlerinnen besitzen diese bestärkende Gabe, indem sie in ihren Songs einfach nur ihre Wahrheit erzählen.
Du bist in deinem Leben viel umgezogen, von Schottland über Japan und Hong Kong, mittlerweile lebst du in Los Angeles. Was macht die Stadt zu einem so besonderen Ort für dich?
Ich habe mir Los Angeles immer als diesen magischen, mystischen Ort vorgestellt, an dem Träume wahr werden. Natürlich habe ich erwartet, dass das sofort passiert sobald ich aus dem Flugzeug aussteige (lacht), aber natürlich war es eine Menge harte Arbeit, viel schreiben, viel performen. Los Angeles hat diesen großen Teil an Enttäuschung und Traurigkeit, weil Menschen dorthin kommen um ihre Träume zu verwirklichen und diese Träume manchmal auch nicht wahr werden.
Dein erstes Album „Church of Scars“ wurde in diesem Jahr veröffentlicht. Kannst du uns etwas mehr über den Entstehungsprozess erzählen?
Alles hat etwa vor zweieinhalb Jahren angefangen. Damals wusste ich noch nicht, dass ich an einem Album arbeite. Vielmehr habe ich einfach drauf los geschrieben, um alles zu verarbeiten, was zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben passierte. Es war schon immer mein Ziel, ein Album zu produzieren. Aus diesem Grund bin ich natürlich umso stolzer, jetzt das fertige Ergebnis in den Händen zu halten. Und das Schönste ist es, diese Songs auf meinen Konzerten zu performen und meine Fans mitsingen zu hören.
„Church of Scars“ klingt sehr poetisch. Wie kamst du auf diesen Namen?
In meinem Song „Hallowed Ground“ gibt es diese Zeile: „My heart is a church of scars.“ Diese Zeile trifft es einfach ganz genau auf den Punkt. Sie beschreibt den Entstehungsprozess dieses Albums, denn es hat sich jedes Mal so angefühlt, als streue ich Salz in alte Wunden, wenn ich Songs geschrieben und aufgenommen habe. Diese Narben, haben mich zu der Person gemacht, die ich bin und ebenso haben sie mein Album geformt.
Im Anschluss an das Interview, verriet Bishop Briggs uns die fünf Lieder, die sie momentan in Dauerschleife hört:
„Church of Scars“ ist am 20. April 2018 bei Universal Music erschienen. Wer Bishop Briggs live erleben will: Im September spielt sie eine Europa-Tour, alle Infos dazu hier.
Interview: Pia Ahlert
Bild: Meredith Truax