Wir haben uns mit Jules Villbrandt, Gründerin des bekannten Interior Blogs Herz&Blut in ihrem Co-Working Atelier “Maison Palmé” in Berlin-Wedding getroffen. Sie hat aus dem Nähkästchen geplaudert und wir haben viel über Kuriositäten, den Wert von Kunst und Bänke in allen Variationen erfahren.
Liebling des Tages: Herz&Blut
Rina: Dein Interior Blog Herz&Blut war anfangs eine Nebentätigkeit. Wie ging es dann weiter? Jules: Nachdem der Blog immer größer wurde, beschloss ich mich ganz darauf zu fokussieren – ich merkte, wenn ich mich jetzt reinhänge, dann könnte das etwas werden. Neben dem Blog kamen dann noch andere Sachen dazu, wie zum Beispiel Styling von Events oder Shootings von Lookbooks und da merkte ich, dass es da mehrere Lagen, mehrere Möglichkeiten gibt in dem Bereich. R: Also kann man sagen interdisziplinär? J: Ja genau, das trifft es ganz gut. Ich habe einen Gründerzuschuss beantragt, was auch gut funktioniert hat und war komplett selbstständig. Nach einer Weile wurde es so groß, dass meine Schwester Maria dazugekommen ist. Daraufhin hat sich uns noch Wilkin, ein Freund und Kommilitone von mir uns angeschlossen. Wir haben gemerkt, dass es gut läuft und beschlossen uns ein gemeinsames Studio zu suchen, in dem wir arbeiten, Freunde einladen, shooten und feiern können und so ist das Maison Palmé entstanden. Palmé heißt auf Litauisch – wo unsere Mama herkommt – Palme und weil ich Palmenprints und Pflanzen schon immer toll fand, hat das gut gepasst. R: Was interessiert und inspiriert dich am meisten an der Interior Fotografie? J: Ich bin ein typischer Fenstergucker. Deswegen finde ich die dunkle Jahreszeit gar nicht so schlecht, weil man dann mehr erkennen kann was drinnen passiert – und jetzt laden mich die Leute ein, dass ich gucken kann. R: Also hattest du schon immer ein Interesse, eine Art von Neugier für die Weise wie andere Leute wohnen? J: Ja genau, lustigerweise sagen die Leute meist: “Stell ruhig etwas um, wenn du magst!” Das würde ich aber nie machen, weil ich es so natürlich wie möglich wiedergeben möchte. Außer wenn etwas aufgrund des Lichts umgestellt werden muss, dann mache ich das schon mal, da ich nur mit natürlichem Licht arbeite. Ich fotografiere immer analog und nicht digital, also ohne Lichtaufbau und bin dadurch angewiesen auf natürliches Licht. R: Wie würdest du deinen Einrichtungsstil in drei Gegenständen beschreiben? J: Also das hat sich natürlich sehr verändert in den letzten Jahren, allein durch das was wir hier machen. Erst einmal muss ich sagen, dass ich sehr viele Dinge besitze. Minimalist werde ich nicht mehr und war ich auch nicht. Ich liebe den Pariser Einrichtungsstil, wo man auch zeigt was man hat und nicht alles hinter Schränken versteckt ist. R: So wie das beim skandinavischen Einrichtungsstil der Fall ist? J: Natürlich finde ich diese Kühle und Klarheit total toll und finde es auch schön, wenn man das konsequent durchzieht. Charakteristisch für mich sind meine Bücher und dann mag ich noch ganz gerne Figuren und Sachen, die eine Geschichte erzählen, wie zum Beispiel ein Bauhaus Häuschen, das mir Maria gerade aus Tel-Aviv mitgebracht hat und das es hier nirgends zu kaufen gibt – Wie sagt man dazu? Kuriositäten. R: Klimbim! J: Ja, so in der Art. Und das dritte wäre etwas großes an der Wand. Ein Wandteppich! Ich habe mir schon früher ein bisschen gedacht, dass Wandteppiche irgendwann IN werden und jetzt ist es auch so. Also etwas großes, imposantes, das etwas her macht – womit man auf die Pauke hauen kann gefällt mir. R: Inwiefern hat sich dein Einrichtungsstil in den letzten Jahren verändert? J: In Bezug auf Wertigkeit würde ich sagen. Es gibt eine Geschichte, die mich bis heute ärgert – und zwar hätte ich ganz viele tolle Sachen aus den 70er Jahren von meiner Großtante erben können, bin stattdessen aber zu einem günstigen Möbelhaus gegangen. Obwohl ich auch glaube, dass meine Leidenschaft für Einrichtung daher kommt, dass ich als kleines Kind durch die großen Möbelhäuser gelaufen bin und mir vorgestellt habe darin zu wohnen.
R: Was ist der wertvollste Einrichtungsgegenstand, den du besitzt? J: Eigentlich meine ganzen Vasen, die ich besitze und sammle. Besonders die von KPM bedeuten mir viel – Davon besitze ich einige schöne Vasen und einen wundervollen, bemalten Kakadu. Wenn man weiß wie viel Arbeit und Hingabe hinter diesen handbemalten Vasen stecken, dann erhöht das die Wertschätzung natürlich enorm. R: Ist das auch gleichzeitig der Gegenstand an dem dein Herz hängt? J: Die Seelenstücke meiner Wohnung sind schon meine Bücher und Magazine. Ich besitze mittlerweile so viele Magazine an denen ich wirklich hänge. Ich schaffe es manchmal paar auszumisten, aber schwer fallen tut es mir trotzdem. Bevor es Pinterest gab, hatte ich schon eine analoge Pinnwand, weil ich alles aus den Zeitschriften herausgerissen habe. Dann gibt es natürlich auch Klassiker an denen mein Herz hängt, wie zum Beispiel Vitra – Ich weiß, dass ich so einen Stuhl von Vitra für immer haben werde, weil der so schön und toll ist. R: Und zeitlos. J: Genau, manche Sachen haben einfach ihren Wert, weil sie zeitlos sind. Und selbst, wenn du ihn irgendwann nicht mehr sehen kann, wirst du ihn immer noch gut verkaufen können. Ich bin total für eine Wertanlage in Form von guten Möbeln. R: Hast du das Gefühl, dass im Interior Segment das Thema Nachhaltigkeit auch immer mehr Einzug hält? J: Ich denke, dass vieles über den Preis bestimmt wird. Wenn man in einen Gegenstand investiert, dann hat man den auch viele Jahre. Das ist in der Mode ja ähnlich. Früher habe ich auch viel mehr konsumiert, mittlerweile kaufe ich dann mal ein oder zwei Teile, dafür muss dann aber auch etwas anderes aus meinem Kleiderschrank verschwinden. Und diesen Trend sehe ich bei Möbeln auch. Es wird nicht mehr für eine kurze Periode gekauft, sondern für länger. Ich denke, dass die Investition in Qualität und Hochwertigkeit wichtig ist, deswegen finde ich es auch so toll, dass es so viele Leute gibt, die darauf achten wo etwas produziert wird.
R: Gibt es eine Interior Design Kollaboration zu der du sofort JA sagen würdest?
J: Also, wir machen auch schon kleine Sachen, zum Beispiel haben wir gerade eine Handyhülle entworfen. Zur Zeit liebe ich Bänke! Die Nelson Bank von Vitra liebe ich. Und gerade gestern habe ich mir eine Bank von Artek gekauft. Die Zebe Bank von Objekte unserer Tage würde ich mir am liebsten auch noch zulegen.
R: Du hattest ja schon den richtigen Riecher mit Wandteppichen. Was sind deine Interior Trends für 2018? J: Was immer mehr Einzug halten wird ist echte Kunst. Ich denke und hoffe, dass Leute den Wert von Kunst verstehen werden. Weil manche Sachen so wie sie jetzt sind nicht weitergehen können, wo wir auch wieder bei Nachhaltigkeit wären. Wenn ein Künstler Kunst schafft, hat das seinen Wert, der auch anerkannt werden sollte. Dann denke ich, dass dunkle Farben, wie Bordeaux wieder groß werden. R: Haus am Meer oder Haus im Wald? J: Ich bin in der nähe vom Wald groß geworden und finde das Meer auch toll, aber ich glaube ich bin ein Stadtkind. R: Bauhaus oder Jugendstil? J: Uhh, das ist hart. Ich glaube früher wäre ich eindeutig Jugendstil gewesen, heute bin ich mehr Bauhaus. Lustig wie sich das ändert. R: Wo siehst du Herz&Blut in der Zukunft? J: Das ist natürlich eine sehr schwierige Frage. Worauf ich aber Lust habe ist mehr im Printbereich zu machen; ein Magazin oder Buch. Vielleicht auch sowas wie einen Verlag zu gründen. Vor zwei Jahren habe ich schon einmal, gemeinsam mit einer Stylistin, ein Buch herausgebracht namens “Mama Styleguide”. Und generell bin ich dafür, dass man wieder mehr handfeste Sachen macht wie Workshops und seine Netzwerke ausbaut. Mehr miteinander, statt gegeneinander! Zusammen sind wir stark.
Bilder: Herz&Blut
Interview: Rina Kasumaj