Ausstellungstipp: Körper*Selbst

vor 8 years

Von Fitness, Ernährungstrends und Spiritualität bis hin zu Mode und Tattoos – unser Körper wird von allen Seiten behandelt, bekleidet und besprochen. Wo bleiben wir selbst in diesem Wirrwarr? Und was bedeutet eigentlich Körperlichkeit in Zeiten von Touchscreen und Siri?

 

Innen und Außen, das Ich und die Anderen, Individualität und allgemeine gesellschaftliche Anforderungen stehen sich gegenüber. Künstlerische Positionen aus Malerei, Fotografie, Film und Installation zeigt dazu ab morgen die Ausstellung Körper*Selbst in der Galerie Wagner + Partner in Berlin. Wir haben Galerie-Assistentin Anna Nostheide für euch zum Interview gebeten.

Fräulein: Gibt es ein Medium in der Ausstellung, von dem Sie sagen würden, dass es sich dem Körper am besten nähert? Das den Körper spürbar oder sichtbar macht?
Alle künstlerischen Positionen setzen sich aktiv mit dem „Körper-Haben” auseinander und kommen durch verschiedene Arbeitsweisen wie Fotos, Poster, Collage, Film und Installation zu unterschiedlichen Betrachtungsmöglichkeiten. Bei einem Nachdenken über den Körper kommen einem vielleicht am ehesten das Haptische ansprechende Begriffe in den Sinn. Die Haptik lässt sich beispielweise in den Abbildungen der Bloodline-Tattoos von Natascha Stellmach gut „erfühlen”. Auch die Installation von Andreea Cioran, die die bodygoals skulptural visualisiert, funktioniert gut durch ein sehendes Tasten.

Wenn es um Körper und Schönheit geht, ist meist relativ schnell die Rede von Frauen. Liegt der Fokus in der Ausstellung auf dem weiblichen Körper?
Leider ist im breiten Diskurs oft der Blick auf den weiblichen Körper verengt; dem versuchen wir – nicht zuletzt auch durch die Auswahl der Künstler*innen – hier etwas entgegenzusetzen. Einzelne Fokussierungen auf den weiblichen Körper sind beispielsweise bei Izabella Gustowskas Arbeiten der Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte geschuldet. Dennoch steht in der gesamten Ausstellung der „Körper” – frei jeglichen Unterscheidungen – im Fokus des künstlerischen Interesses.

In Werbekampagnen geht der Trend zu „Imperfection“ und einem neuen, scheinbar ausgeweiteten Schönheitsbegriff, bei dem Achselhaare und Fettpolster nicht mehr „zensiert“ werden. Gibt es dazu in der Ausstellung künstlerische Positionen oder kann man eine Werkgruppe in Bezug dazu sehen?
„Imperfection” suggeriert ein nonchalantes „Unperfektsein”. Jedoch – und das ist eine große, vielleicht nicht auf den ersten Blick sichtbare Verengung – meint der Begriff keinesfalls eine Aufweitung des Schönheitsbegriffs im Sinne einer Liberalisierung. Vielmehr tritt an diese Stelle ein Optimierungsprozess, der darin kulminiert, dass jetzt als zu glatt empfundene Perfekte durch ein kleines Detail unperfekt-charmant werden zu lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist wohl die Undone-Frisur, die ebenso viel Zeit vor dem Spiegel kostet als eine gewöhnliche Frisur. Nur dass man nun die Mühen dahinter nicht mehr sehen kann. Die Entfernung von einem Bild aus der Ausstellung von unserem Facebook-Account (da es als zu anstößig galt und somit nicht den facebook-Richtlinien entsprach) zeigt, wie wichtig eine kritische Auseinandersetzung mit unserer durch Werbung und soziale Medien gefilterten Wahrnehmung von Schönheit ist. Wie oft wird ein Bild retuschiert, bevor es online geht?

In Zeiten von Instagram und Facebook verändert sich die Beziehung zum eigenen Körper. Inwiefern spiegelt sich die Internet-Ästhetik in den Werken wider?
Andreea Cioran ist eine junge Künstlerin, die mit ihren bodygoals Schlagwörter aufgegriffen hat, welche durch Instagram & Co wahrscheinlich niemals zu solchen „Schönheitsnormen” avanciert wären. Diese als „Schönheitsknochen“ oder „Bikini-Brücken“ umschriebenen Gipsabdrücke sind so artifiziell, dass sie wiederum als gewordene „brands“ zu Verkaufsprodukten avancieren. Die Frage, die sich von allein anzuschließen scheint, lautet: Kann man seinen eigenen Körper bauen, kaufen und – damit eng verknüpft – seine eigene Identität gestalten?

Fünf Adjektive, die die Ausstellung kurz und knackig beschreiben?
Fragend, stark, verletzlich, frisch, (sozial-)kritisch.

Körper*Selbst Andreea Cioran, Izabella Gustowska, Ren Hang, Eckart Hahn, Natascha Stellmach 21. Oktober 2016 bis 19. November 2016 Vernissage: 21.Oktober 2016, 19 bis 21 Uhr Galerie Wagner + Partner
Strausberger Platz 8, Berlin.

Beitrag: Alicja Schindler

Kultur

Verwandte Artikel