Die Bilder von der New Yorker Fotografin Maxi Cohen laden uns ein die geschützte Welt der Frauentoilette zu entdecken: die Toilette als politischer Ort zwischen Schminke und Solidarität. Eine Dokumentation.
Klogeflüster
Die Musik wird zu laut, die Leute zu aufdringlich und die Luft zu dick. Plötzlich braucht man eine Pause vom Clubgeschehen, will runter von der Tanzfläche, raus aus der Menge und da gibt’s nur eins: die Toilette. Dort kann man ganz locker einmal die Strumpfhose hochziehen, die Haare wieder cool durcheinander bringen und den Lippenstift rot nachziehen. Ein Ich-Moment, wo man mit sich selbst sein kann oder ein privilegierter Quatsch Moment mit den Freundinnen weit weg vom Trubel im Club.
Szenen wie diese beobachtet die Fotografin Maxi Cohen seit den 1980ern durch ihre Kamera, zunächst in New York und später rund um die Welt. Mit ihren analogen Fotografien erhascht sie einen Blick auf den vielleicht intimsten und bestgeschützten Ort für Frauen: die Toilette. Was machen denn Frauen, wenn sie da zu dritt aufs Klo gehen? Sich frisch machen? Einfach nur auf Toilette gehen? Tuscheln, Nachdenken, Pläneschmieden? Anlass für viel Spekulation.
Für die New Yorker Künstlerin ist die Toilette ein perfektes Versteck, ein intimer Raum mit eigenen Regeln und Ritualen. Die Idee für die Serie „Ladies Rooms Around the World“ entstand 1978. Cohen zeigte damals ihren Film „Joe & Maxi“ während des Miami Film Festival. Ihr war langweilig und sie ging zur Damentoilette. Da sah sie eine „Backstage“-Szene von älteren Frauen in goldenen Kleidern mit hochkarätigem Schmuck, die sich schminkten und auffrischten. Seit dieser Begegnung fotografiert Cohen Frauentoiletten überall, wo sie hin geht: vom australischen Hinterland bis zu Diskotheken-Toiletten in Zambia. Dabei beobachtet sie, wie wichtig dieser Ort für Frauen in einer von Männern dominierten Welt ist. Ein Raum, zu dem sie keinen Zugang haben, ein Fluchtort, wo sie sich geschützt austauschen können. Gerade in Ländern, wo die Stimme der Frau keinen oder nur eingeschränkten Platz in der Öffentlichkeit hat, wird die Toilette zum politischen Ort.
Ein prägendes Erlebnis hatte Cohen in einer Bar im australischen Hinterland in den 1990er Jahren. Hier wurde sie von zwei einheimischen Frauen gebeten mit ihr auf die Damentoilette zu gehen. Die Frauen vertrauten sich ihr an und berichteten von Inzest- und Verwaltigungsvorfällen von jungen Mädchen und Jungs innerhalb der Gemeinde. Diese intime Begegnung machte Cohen zum Thema ihres ersten Films. Dieser Film, der Frauen zelebriert und sich für ihre Rechte stark macht, wurde 2014 auf der Sao Paulo Biennale gezeigt. Der Film ist Teil einer ganzen Serie von Toiletten-Gesprächen über Männer, Unterdrückung, Gewalt, Sex und Erziehung, mit denen Cohen die Stimme von Frauen lauter und selbstbestimmter in den öffentlichen Diskurs einbringen möchte. „Was wir normalerweise über die Welt wissen, erfahren wir durch die Wörter und Taten von Männern. Aber was wäre, wenn das Schweigen von Frauen, die oft andere Wahrnehmungen haben, gebrochen würde und wir anfangen würden zu sehen, was dahinter versteckt ist?“ sagt sie.
Mit ihren Videos schafft Cohen Sichtbarkeit. Sie ist keine Aktivistin im klassischen Sinne, sondern lässt ihre Arbeiten sprechen. Obwohl man sie in fast allen Bildern sehen kann, lag ihr Interesse nicht darin, eine Serie von Selbstporträts zu machen. Sie ist Beobachterin. Eine aktive Beobachterin.
Text: Milena Bialas
Mehr Info zu Maxi Cohen gibt es hier.
(Dieser Artikel erschien zum ersten Mal am 23. Februar 2016)