Fräulein: Hi Sasha, danke dass du dir Zeit nimmst für uns.
Sasha: Ja klar!
American Honey, in dem du die Hauptrolle spielst, ist ein so wunderbarer wie unkonventioneller Film. Man sieht dich über Wochen mit einer jugendlichen Drückerkolonne durch den Mittleren Westen der USA fahren und Magazin-Abos verkaufen. Die Grenze zwischen Fiktion und Dokumentation beginnt zu verschwimmen.
Andrea ist eine geniale Regisseurin, die unheimlich viel Raum lässt. Wir sind tagelang in diesem Van herum gefahren und haben darin gedreht, haben in den Motels abgehangen, die auch im Film zu sehen sind. Die ganze Produktion fühlte sich unheimlich organisch an. Aber auch wenn manche Szenen sehr dokumentarisch scheinen, Andrea hatte immer alles unter Kontrolle und griff ein wenn sie es für notwendig hielt.
Es gibt einige Gruppen-Rituale im Film, mit denen ihr euch aufputscht: Ihr singt, kämpft, seid zärtlich zueinander. Wie hat diese Energie den Film verändert?
Diese Rituale waren ein perfekter Weg um sich in Stimmung zu bringen. Und die Musik, die im Film, vor allem im Van, zu hören ist, die lief ja wirklich ständig. Was manchmal schwierig war. Meine Emotionalität und Spannung durfte nicht immer identisch mit jener der Gruppe sein. Also hörte ich vor einer Szene oftmals meine eigenen Sachen, versuchte mich regelrecht runter zu bringen.
American Honey steht in der Tradition großer amerikanischer Erzählungen wie On the Road von Jack Kerouac. Was hat dir eure Reise über Amerika erzählt?
Nicht viel Neues, was einfach daran liegt, dass ich diesen Teil der USA kenne und mich damit sehr gut identifizieren kann. Fremd ist dieses Amerika viel eher für Menschen von außerhalb. Ich empfand während der Reise aber ein Gefühl von absoluter Freiheit, nach dem ich mich lange gesehnt hatte. Wir wussten ja nie, wohin die Reise geht. Das ist ein unglaublicher Zustand.
Warum ist der amerikanische Freiheits-Begriff für Europäer so schwer greifbar?
Weil man in den meisten Hollywood-Filmen eine romantisierte Vorstellung von Amerika vorgesetzt bekommt, die die Wirklichkeit stark verzerrt. Im Mittleren Westen stresst dich niemand. Du sitzt in diesen Motels und wirst in Ruhe gelassen. Es findet auch niemand komisch, dass du auf dem Parkplatz rumspringt, singst und feierst.
Die Reise ist für deine Protagonistin Star eine Art coming of age. Am Ende gibt es eine Szene, in der Star in einem Fluss unter Wasser gleitet und kräftig auftaucht. Das gleicht einer Wiedergeburt.
Absolut und so ging es mir selbst auch. Andrea hat mich am Strand von Miami angesprochen und gefragt, ob ich mir vorstellen könne, in ihrem Film mitzuspielen. Ich dachte: wow, ihr denkt, ich bin es Wert, diese Rolle zu übernehmen, ihr beachtet mich? Das ist ja wunderbar! Ich habe mich wie neu gefühlt und all die Möglichkeiten gesehen, die sich mir plötzlich eröffneten. Wenig später ging es auch schon los.
Was meinst du sah Andrea Arnold sie in dir?
Sie sagte mir, dass ich heraus stechen würde aus der Menge, sie sagte: „Ich sehe ein Licht in dir.“ Sowas hört man natürlich gerne!
American Honey läuft seit 13. Oktober im Kino.
Interview: Ruben Donsbach