Interview mit Louise Troen, Vize-Präsidentin für internationales Marketing und Kommunikation von Bumble.
“Ein sicherer, einheitlicher Ort”
Im Pantheon der Dating-Apps spielt Bumble in der höchsten Liga mit. Die Plattform erteilt nur den weiblichen Nutzerinnen die Macht, einen Chat mit einem Nutzer zu beginnen. Das Konzept ist simpel und genau deshalb international erfolgreich. Neben der anfänglichen Dating-App, bietet die Firma jetzt auch Bumble Bizz, für berufliche Beziehungen, sowie Bumble BFF für Freundschaften an. Wir haben Louise Troen, Vize-Präsidentin für internationales Marketing und Kommunikation von Bumble auf der #FASHIONTECH in Berlin getroffen. Die 31-jährige hat auf dieser führenden C-Level Konferenz der Premium Gruppe eine Präsentation über die Symbiose von Technologie und Emotionen gehalten. Mit uns sprach Louise über Beständigkeit und Innovation sowie die zukünftigen Expansionspläne von Bumble.
Es gibt das weltweit verbreitete Gerücht, dass Deutsche nicht flirten. Was bekommt ihr für Feedback zur App in Deutschland?
Meine Kollegin Naomi und ich sind Ende September 2018 für drei Monate nach Berlin gezogen, weil wir nicht verstehen konnten, wieso in diesem globalisierten und gebildeten Markt unsere Zahlen nicht stimmten. Wir haben drei Monate damit verbracht, die Kultur zu verstehen und zu analysieren, wie die deutsche communityin Berlin auf Online Dating und Beziehungen knüpfen reagiert. Mit diesen kulturellen Tendenzen haben wir eine Strategie etabliert. Somit haben wir auch begonnen, die richtigen Partner, wie zum Beispiel 032c, zu identifizieren und uns kulturell relevant darzustellen. Unsere Zahlen fingen dann langsam an zu steigen. Heute wächst der deutsche Markt schneller als alle unsere anderen Märkte. Wir haben auch rechtzeitig erkannt, dass unser Ton für die deutsche Kundin geändert werden musste. Die etwas cheesy Sätze, die Amerikaner so sehr lieben, mussten wir durch etwas cooleren und kreativen Content ersetzen, der zum ersten Schritt inspiriert. Ich denke also nicht, dass Deutsche nicht flirten können, da wir erheblichen Wachstum erlebt haben. Wahrscheinlich hatten sie einfach keinen Bereich, in dem sie es konnten. Vertrauen ist essenziell für den Erfolg einer Marke oder einer Firma und um dieses Vertrauen, so wie wir es geschafft haben, aufzubauen, muss die Kultur und Community erst respektiert und verstanden werden.
Selbstironie ist ein wichtiger Teil eures Business-Models. Humor und Seriosität wechseln sich in eurer Kommunikationsstrategie auf Instagram ab. Wie geht ihr damit in der post #metoo Zeit um?
Wir stehen schon immer für female empowerment und gender equality. Vor vier Jahren gab es #metoo noch nicht, das Wort empowerment wurde auch nicht genutzt. Das ganze Gespräch um die Unterstützung von Frauen und sisterhood gab es auch noch nicht. Wir sind dankbar für #metoo und unterstützen die Bewegung. Es ist aber wichtig zu wissen, dass wir Jahre bevor dies alles passiert ist, schon so mit unseren Userinnen kommuniziert haben. Wir versuchen eine Umgebung aufzubauen, in der Männer auch an dem Gespräch teilhaben können, weil nur wenn Frauen und Männer sich zusammen hinsetzen echte Veränderungen stattfinden. Es gibt hauptsächlich Männer in den wichtigen Positionen. Also müssen wir aufpassen, nicht aggressiv zu sein und unsere Message auf eine klare, respektvolle und progressive Art zu vermitteln. Wir sind verspielt aber respektvoll. Und wir sind uns wahrscheinlich alle darüber einig, dass das die Grundlage jeder Beziehung ist, sei es in der Liebe oder im Berufsleben. Wir gehen Risiken ein, sind dabei aber auch extrem klar darüber, wo die Grenzen sind.
Wie oft muss sich eine Marke in ihrer Kommunikationsweise neu erfinden, um eine gewisse Monotonie zu vermeiden? Nehmen wir Instagram als Beispiel.
Es ist erstmal wichtig im Klaren darüber zu sein, wie die Marke visuell sein soll. Wir würden Bumble in der Hinsicht unserer Message nie neu erfinden, wir innovieren und entwickeln uns, aber im Design und in der Methode, wie wir sie neu vermitteln. Wir wollen nicht von unserer ursprünglichen Mission ablenken und darauf muss besonders geachtet werden. Es gibt verschiedene Farb-Paletten, Slogans und Tonarten in unserer Marken-DNA, also benutzen wir nicht immer die gleiche humorvolle Komponente oder die gleichen Empowerment-Slogans. Wir haben eine gesamte Matrix an Content, die wir benutzen können: Statistiken zu Gender Equality oder einfach nur ein Statement unsererseits das sagt, dass es ok ist, einen One-Night Stand zu haben wenn ihr das wollt. Eine Firma muss identifizieren, was ihr Öko-System in Zahlen, Tonalität, visuellem Content oder Statements von Celebrities und Vertretern ausmacht. Einfach die Komponenten die mit dem koinzidieren was deine Firma definiert.
In eurem Fall unterstreicht eure Beständigkeit die ursprüngliche Stärke eurer Message.
Als wir Bumble Bizz gelauncht haben, wussten wir, dass wir Veränderungen mit einbringen müssen. Also mussten wir entscheiden, wie sich die Farbpalette ändert. So wie die Briefkästen in England rot sind und ihre Farbe nie ändern würden, wollen wir auch nicht die Assoziation zu unserer Marke verlieren. Wir müssen daher eher in der Hinsicht des Designs evolvieren um relevant zu bleiben.
Bumbles Business Modell folgend, ist Erfolg im Liebes- sowie im Berufsleben von einer Charaktereigenschaft abhängig. Wie würdest du diese als Angestellte der Firma definieren?
Ich denke, es gibt fundamentale menschliche Werte und Prinzipien, denen jeder folgen sollte. Diese sind die Grundsteine einer gesunden Beziehung und koinzidieren mit denen, worauf wir unsere Firma aufgebaut haben: Freundlichkeit, Gleichheit und Verantwortung. Das sollten unsere Nutzerinnen immer im Hinterkopf haben, wenn sie auf unseren Plattformen interagieren. Im Fall einer Beziehung kommt natürlich auch die sexuelle Anziehung ins Spiel. In der Business Komponente suchen unsere Userinnen eher nach Inspiration und Bildung. Es sind also fundamental die gleichen Werte und Prinzipien, der einzige Unterschied ist, wie sie angewendet werden, je nachdem was damit erreichen werden soll.
Konzentrieren sich eure Nutzerinnen eher auf eine der drei Plattformen?
Meistens benutzen sie zwei oder mehr. Es gibt oft eine, für die sie die App runtergeladen haben und in die sie mehr Zeit investieren. Mittlerweile wechseln sie aber immer mehr zwischen den anderen, weil der Ablauf reibungslos ist. Wir können also von einer Art Kreuzbestäubung sprechen. Zum Beispiel wird unserer Nutzerin im Dating Bereich angekündigt, dass zehntausend neue Mentoren in der Bizz App sind und sie hier swipen kann, um an den Inhalt zu gelangen.
„Wir wollen uns auf keinen Fall als App positionieren, die nur für Ehe oder lange Beziehungen am Ziel wirbt. Wir sind eine Vernetzungsplattform in der unsere Nutzerin sicher ist, egal wonach sie sucht.“
Wisst ihr, ob sie auch auf anderen Dating Apps unterwegs sind?
Wir haben keine Statistiken dazu, aber wie in der High-Street Mode mögen unsere Nutzerinnen verschiedene Produkte. Sie wollen in verschiedenen Läden Erfahrungen sammeln und so verhalten sie sich dann auch mit den Dating Plattformen. Wir hoffen, dass wir einen Raum schaffen können, in dem wir ihnen alles anbieten können. Wir sprechen viel über bedeutungsvolle Beziehungen, aber was wir damit meinen ist Ehrlichkeit und Vertrauen. Wenn unsere Nutzerin nach einem One-Night-Stand sucht und sich dadurch empowered fühlt, kann sie das gerne bei uns. Wir wollen uns auf keinen Fall als App positionieren, die nur für Ehe oder lange Beziehungen am Ziel wirbt. Wir sind eine Vernetzungsplattform in der unsere Nutzerin sicher ist, egal wonach sie sucht.
Benutzen deine Freundinnen die App?
Alle meine Freundinnen nutzen sie! Ich auch!
Du tatsächlich auch?
Es ist ein bisschen schwer für mich. Meine Dates sagen mir oft, dass sie ja eigentlich meine Kunden sind und das ändert die ganze Dynamik irgendwie (lacht). Ich konzentriere mich im Moment eher auf Bizz. Wir haben vor kurzem auch jemanden durch Bizz eingestellt. Also suchen wir auf unserer App auch nach Angestellten, betreiben etwas Mentoring und schreiben gleichzeitig noch mit anderen Mentors.
Was würde dich denn dazu bringen, nach rechts zu swipen?
Es hängt von der Plattform ab. Beim Daten wahrscheinlich Humor. Aber die beste Art, Matches zu kriegen, und das ist auf jeder Dating App bewiesen, ist so offen und ehrlich wie möglich zu sein. Das zerstört die anfänglichen Barrieren und verschwendet nicht die Zeit der Anderen.
Hast du das Gefühl, dass wir vielleicht eine zu große Flut an Apps in alle Aspekte unseres Lebens hereinlassen?
Ich denke, wir müssen als Individuen Konsequenzen ziehen. Du hast als Nutzer die App heruntergeladen und deine Kreditkartennummer eingegeben. Also hast du auch die Kontrolle darüber, ob du Instagram, Facebook oder andere Apps von deinem Handy löschst. Du kannst ganz klar entscheiden, wie du dein Leben aufbauen willst. Mit Bumble wollen wir einen einheitlichen sicheren Ort aufbauen, damit du nicht tausende Apps hast. Unsere Nutzerin weiß, dass sie uns in jeder ihrer Erfahrungen vertrauen kann, dass wir sie unterstützen und beschützen. Und ich bin mir auch sehr sicher, dass wir da noch lange Marktführer bleiben werden.
In welche Bereiche möchte Bumble noch expandieren? Du hast in deinem Talk über Mode gesprochen, aber wie sieht es mit den anderen Aspekten des alltäglichen Lebens aus?
Es gibt Ausbaumöglichkeiten in der Freundschafts-Komponente. Zum Beispiel könnten wir etwas für neue oder alleinerziehende Mütter machen. London wurde gerade zur einsamsten Stadt der Welt ernannt. Die Leute vernetzen sich zwar online, reden aber immer weniger offline, was für unseren mentalen Zustand total ungesund ist. Wir können darin helfen, zu 20 anderen jungen Müttern Kontakt aufzubauen. Vielleicht leben sie mehr als 30 Kilometer voneinander, aber sie könnten miteinander FaceTimen und reden, und somit eine Art Gemeinschaftssystem aufbauen. Wir beschäftigen uns also sehr intensiv mit den Hintergründen von Einsamkeit und wie wir unsere Nutzerinnen darin unterstützen können.
Den Beauty Sektor möchten wir auch erkunden. Welche Produkte eine Frau benutzen kann, um sich bemächtigt zu fühlen. Die Möglichkeiten Frauen zu empowern sind endlos. Vom Moment an wo wir aufwachen, sind wir von Millionen Dingen bewegt. Wenn wir als Unternehmen diese Punkte finden und sie in eine bessere Erfahrung verwandeln, bemächtigen wir unsere Nutzerinnen. Und all diese Räume werden wir mit Sicherheit erforschen.
Danke für das Gespräch, Louise!
Mehr Infos zur #FASHIONTECH unter fashiontech.berlin
Interview: Juliane Clüsener-Godt