Im Interview: Please Queue Here

vor 6 years

Drei junge Frauen, die ihren Traum Wirklichkeit werden lassen.

von links nach rechts: Charlotte, Hillary, Nicole

Hinter PQH verbirgt sich ein Projekt, das in die klassische Galeriearbeit neue Strukturen implementiert. Dieses Jahr zeigte das Trio ihre erste Ausstellung. Ein voller Erfolg: mehr als 200 Besucherinnen und Besucher wurden bei der Ausstellungseröffnung gezählt. Auf @pleasequeuehere_ folgen ihnen heute – innerhalb von nur zwei Monaten – mehr als 2000 Follower. Jung, innovativ, kunstbegeistert: das zeichnet nicht nur die jungen Frauen aus, sondern auch die Künstlerinnen und Künstler mit denen sie zusammenarbeiten.

Die Bilder sprechen für sich: eine kuratorisch rund um gelungene Ausstellung, die verschiedene Medien miteinander verbindet.

Vergangene Woche trafen wir Charlotte, Kuratorin von PQH, auf einen Kaffee. Sie verriet uns wer hinter PHQ steht, welche Veränderungen sie auf dem Kunstmarkt spüren und was ihr Konzept neu- und einzigartig macht.

Charlotte, wer verbirgt sich hinter PQH?
Gründerin von PQH ist Hillary Needleman – das war 2018. Ihre ersten beruflichen Schritte brachte sie in den Bereich Wirtschaft und Finanzwesen. Geboren und aufgewachsen ist Hillary in New York. Dort besuchte sie dann auch nach Beendigung der Schule die Quinnipiac University und machte ihren Bachelor in International Business. Im Anschluss arbeitete sie in der Global Funds Group bei JPMorgan und in der Hedge Fund Investor Relations Group bei SS&C. 2017 führte ihr Weg sie nach London. Dort begann sie ihren Master in zeitgenössischer Kunst an dem Sotheby’s Institute of Art London. Dort lernten wir uns kennen. Nicole Bainov, verantwortlich für den Bereich Sales und Management, kommt gebürtig aus Venezuela. Bevor sie 2019 Partnerin von PQH wurde, hat sie im Bereich der kommerziellen Kunst gearbeitet. Ihr besonderes Interesse galt und gilt lateinamerikanischer Kunst; ihr Forschungsschwerpunkt konzentriert sich auf ‚Venezolanische Diaspora’. Auch ich bin seit 2019 bei PQH. Ich schreibe – Pressematerialen, Ausstellungstexte und -essay –, aber in erster Linie bin ich für das Kuratieren unserer Ausstellungen und die direkte Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern zuständig. Ich bin in Deutschland, in einer kleinen Großstadt (lacht) aufgewachsen. Dann verschlug es mich nach Amsterdam. Dort studierte ich Liberal Arts and Science mit dem Schwerpunkt Kunstgeschichte. Nach rund zwei Jahren in der Öffentlichkeitsarbeit für Kunst- und Kulturprojekte, kam ich nach London für mein Masterstudium und arbeitete später auch im Londoner Galeriewesen. Außerdem arbeite ich nebenbei als Editorial Intern am Ausstellungskatalog der Venedig Biennale 2019 mit.

Du hast eben gesagt, ihr habt euch kennengelernt an der Universität. Magst du ein bisschen mehr darüber erzählen?
Genau, das war 2017. Hillary und ich lernten uns sehr früh kennen. Wir beide studierten Zeitgenössische Kunst. Nicole, die wir erst ein bisschen später kennenlernten, studierte Art Business. Hillary, der Kopf von PQH, trat dann Anfang diesen Jahres auf uns zu. Da Hillary und ich auch persönlich eng miteinander befreundet sind und ich ihre Konzeptidee bereits kannte, brauchte es keine großen Überredungskünste. Ich schloss mich PQH an.

Wie kam es zu der Gründung von PQH? Selbständigkeit, besonders im Kunstbusiness, ist bekanntlich kein leichtes Pflaster. Welche Idee hatte Hillary, die es zuließ diesen Schritt zu wagen?
Hillarys primäre Motivation war es, ihr Interesse an Zeitgenössischer Kunst mit ihrer Erfahrung im Bereich Finanzwesen, zu kombinieren. Und darüberhinaus ist es ihr Anliegen, den unserem Empfinden nach, steifen Kunstmarkt zu verändern. So richtig los ging es dann tatsächlich erst Anfang des Jahres. Die intensive Vorarbeit von Hillary ermöglichte uns dann direkt im März als ein Unternehmen im Kunsthandel und als kuratorische Plattform öffentlich aufzutreten . Der Kernansatz – und hoffentlich unser Erfolgsrezept – ist bestimmt durch unsere fehlende Raumgebundenheit. Klassische Galerien verfügen über ein Showroom, in dem sie über einen langen Zeitraum eine Ausstellung präsentieren. Diesen haben wir nicht. Unsere Arbeitsstätte sind Kaffees, Hillarys Wohnung, mein Bett (lacht) – überall dort wo wir Zugriff auf unsere Laptops haben. Für unsere Shows mieten wir dann Räumlichkeiten. Die Ausstellung selbst kann dann für einige Tage besucht werden. Wir sehen die Veränderungen bedingt durch die Digitalisierungen, die auch vor der Kunst keinen Halt mehr macht, und versuchen diese positiv in unserer Arbeit zu nutzen. Die Leute brauchen nicht mehr den „Fixpunkt“, den eine traditionelle Galerie bietet. Die heutige Gesellschaft ist schnelllebig, die Interessenszeitspanne sinkt. Das heißt natürlich nicht, dass die präsentierte Kunst nach den drei Tagen ‚verschwindet’. Alle Informationen über die Künstlerinnen und Künstler sowie ihre Werke können vorab und im Anschluss bei uns erfragt werden – dafür sind wir schließlich da. Das ist natürlich alles nicht ganz neu. Wir setzen darüberhinaus auf einen viel engeren Kontakt mit unseren Künstlerinnen und Künstlern, wie es in der Regel nicht gängig ist. Wir positionieren uns dabei nicht als Muttergalerie, die Künstlern in Kooperationen und Ausstellung einschränkt. Bei uns ist es das Gegenteil: wir freuen uns wenn sie spannende Projekte machen. Wir wollen dass unsere Künstlerinnen und Künstler sich weiterentwickeln und wachsen. Wir möchten sie keineswegs einschränken, was häufig eben durch starre Richtlinien in klassischen Galerien die Folge ist.
Uns ist wirklich wichtig, Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen, in dem was sie möchten. Gerade in Bezug auf die Frage der Vorbereitung unserer Ausstellungen heißt es dann: wie möchtest du dich weiterentwickeln? Was sollen wir zeigen und in welchem Zusammenhang? Als Künstlerinnen und Künstler muss man heute Socialmediaexperte, Manager etc. sein – und das sehen wir als fatales Problem und lösen es auf. Wir finden das eben sollten sie nicht sein müssen. Unterschiedliche Räume bieten mir als Kuratorin, dann auch große kuratorische und kreative Freiheiten und Entwicklungsmöglichkeiten – ich kann sehr genau auswählen welcher Raum mein kuratorisches Konzept trägt. Ich denke Flexibilität ist hier das treffende Wort.
Im Grunde verstehen wir uns als eine kuratorische Plattform, die neben dem kommerziellen Aspekt auch kreativ ist.

Ihr bringt alle eure spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten mit, die ihr in der Arbeit bei PQH verwirklicht. Was verbindet euch?
Was uns verbindet? Das ist natürlich das Interesse an Zeitgenössischer Kunst. Aber das ist selbstverständlich nicht alles. Uns allen liegt es am Herzen die aufstrebende Kunstszene weiter zu fördern. Zeitgenössische Kunst hat den Vorteil, dass sie oft selbst jung ist und das bringt wiederum den Vorteil, dass in der Regel auch die Künstlerinnen und Künstler noch jung sind. Und das ist der springende Punkt: wir können mit ihnen arbeiten – gemeinsam. Wir lernen von ihnen und sie lernen von uns. Durch die fehlende Raumgebundenheit ist uns das besonders möglich, denke ich. Wir haben keine Fixkosten wie Miete etc., müssen uns nicht mit damit zusammenhängen Dingen rumschlagen und können die verfügbare Zeit nutzen uns wirklich auf die Künstlerinnen und Künstler zu konzentrieren. Und ja, wir alle möchten daran mitwirken das klassische Galerie-Modell zu verändern.

Nach welchen Kriterien wählt ihr die Künstlerinnen und Künstler aus, mit denen ihr zusammen arbeitet?
Die Auswahl ist in der Regel mit einem recht zeitintensiven Prozess verbunden – und vieles davon geschah bereits vor unserem Zusammenschluss 2019, durch Vorbereitung von Hillary in 2018. Das heißt wir gehen zu allen Eröffnungs- und Abschlussshows, besuchen kleine und größere Ausstellungen und vor allem, das ist wohl das wichtigste, wir bleiben informiert. Verkürzt formuliert kann man sagen, dass wir innovative Künstlerinnen und Künstler suchen. Die Arbeiten müssen auf bestimmte Art neu und faszinierend sein und natürlich unseren Geschmack entsprechen (lacht). Aber sie müssen eben auch im Gesamtkonzept funktionieren. Wir schauen uns natürlich schon ihre Ausstellungshistorie, vielleicht auch ihre Ausbildung und andere Hintergrundinformationen an. Am meisten allerdings interessiert uns das Portfolio das sie haben. Ihre Arbeiten sollten Dynamik versprühen. Es spielt keine Rolle ob sie bereits vollständig ausgeformt sind; solange wir etwas darin sehen, das Potential für Entwicklung verspricht. Dabei kann die Wahl des Mediums ganz unterschiedlich sein. Skulpturen, neue Medien, Performance Kunst, Arbeiten mit Textilien oder ganz klassische Malerei, alles ist erlaubt. Momentan und das möchten wir so auch fortführen, arbeiten wir vor allem mit einer Künstlergruppe zusammen. Sie alle machen großartige Arbeiten, kennen sich untereinander und sind in etwa im gleichen Alter. Tatsächlich kommen sie alle aus verschiedensten Herkunftsländern und unterschieden sich auch zum Teil in ihrem Medium. Eine deutsche Künstlerin ist auch dabei. Was sie schlussendlich miteinander verbindet ist ihr Interesse an Zeitgenössischer Kunst – und dieses brachte uns zusammen.

Du hast mir gleich den perfekten Übergang zu meiner nächsten Frage geschaffen. Warum gerade Zeitgenössische Kunst? Was fasziniert euch daran?
Schwierig. Die Flexibilität – ich meine die Vielzahl an Möglichkeiten mit diesem Medium zu arbeiten. Es entwickelt sich weiter. Es reflektiert so viel über gesellschaftliche Veränderungen. Es gibt so viel was in Kunst generell reinfließt. Ich finde es schwierig solche Statements zu setzen nach dem Motto “Kunst reflektiert die Gesellschaft” – das reicht nicht und gibt einfach nicht alles das her was es meint – aber im Kern ist es in etwa das: Zeitgenössische Kunst ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich.

Wie war eure erste Ausstellung?
Unsere erste Ausstellung hieß “Tactile Amnesia“ und lief drei Tage lang. Am Eröffnungsabend empfingen wir über 200 Leute. Damit hatten wir definitiv nicht gerechnet. . Ein Ziel war es natürlich uns der Londoner Kunstwelt vorzustellen. Kuratorisch haben wir versucht alles relativ offen zu gestalten. Wir schufen einen Raum der ‚anfassbaren’ Kunst. Kunst die sich durch ihren taktilen Charakter auszeichnet . Traditionelle Materialien (Terracota, Öl, Textil) formulieren eine neue künstlerische Sprache, die den Werken skulpturartige Eigenschaften verleiht.

Wie sehen eure nächsten Ziele und Etappen aus und wo seht ihr euch in drei Jahren?
Der erste Schritt ist die Entwicklung unserer Website – die ist jetzt, in diesem Moment in dem wir sprechen, im Aufbau. Natürlich besteht das große einmal eins darin weitere Beziehungen aufzubauen und unser Netzwerk zu erweitern. Mit Künstlerinnen und Künstlern sowie mit Sammlerinnen und Sammlern. Wir werden weiterhin eng mit der Künstlergruppe arbeiten und ihre Karrieren fördern. Natürlich halten wir auch nach neuen Talenten ausschau. Ansonsten planen wir gerade unsere Herbstshow. Und in 2020 werden wir nach New York expandieren. Wir sind bereits in Kontakt mit dort lebenden Künstlerinnen und Künstlern. Und in den nächsten Jahren hoffen wir auch in Berlin ein Standbein aufbauen zu können.

Zu Beginn hatten wir kurz darüber gesprochen, dass es innerhalb der Kunstszene oft sehr schwierig ist ein erfolgreiches Unternehmensmodell aufzubauen. Generell sind die meisten Gründungsväter – seltsam allein, dass es das Wort Gründungsmütter bisher nicht in unserem Sprachgebrauch gibt – Männer. Frauen bleiben oft die Minderheit. Seht ihr in eurer Arbeit eine Vorbildfunktion für andere Frauen?
Als Gründerinnen eines reinen Frauenunternehmens denken wir oft darüber nach und hoffen, dass andere dem Beispiel folgen werden. Mich nerven Bezeichnungen wie ‚oh Frauenkünstler’ oder ‚oh Frauenunternehmerin’. Wir sind Unternehmerinnen. Punkt. In unserer Verantwortung ist es, nicht nur auf uns selbst zu schauen, sondern auch andere zu unterstützen. Es ist ein Privileg, dass wir in der Lage sind, dies mit einem Netzwerk zu tun. Wir hoffen, uns weiterhin gegenseitig zu unterstützen und einander als Vorbilder zu dienen. Unser Ansatz ist schon über den Tellerrand zu schauen und Diversität auch im Kunstbereich zu fördern. Wir möchten gegen die Statistik arbeiten und wir schrecken auf keinen Fall vor Künstlerinnen und Künstlern zurück, die mit feministischen und oder postkolonialen Themen arbeiten. Ganz im Gegenteil!

 

Zum Schluss fragten wir Charlotte, wie überhaupt der Name PQH zustande kam. Daraufhin lachte sie und erzählt: „Hillary wartete betrunken vor den Toilettenkabinen einer Bar. Dort hing ein Schild mit der Aufschrift „Please queue here“. Sie weiß nur noch, dass sie die Wortwahl urkomisch fand. That’s it. Der Name des Unternehmens war beschlossene Sache.“ „Der Name trägt sich“, fügte Charlotte noch etwas ernster hinzu, „Er schränkt nicht ein indem was wir tun. Er wächst mit und lässt Freiheiten.“

Lucia Pizzani, Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Theresa Gößmann, Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Héloïse Delègue, Expectations of a spark, 2017, 4/6 Acrylics Drawings on Paper (21.0 x 29.7cm each), Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Héloïse Delègue, Phillip Reeves, Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Héloïse Delègue, Nothing touches me more than your infatuation, 2017, Mixed Media on Canvas (200 x 150 cm), Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Phillip Reeves, Kimono, Pigs and Magic Tricks, 2018, Oil on Aluminum Dibond (160 x 120 cm), Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Miriam Naeh, How to Disappear For a While, Installation in three parts, Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Phillip Reeves, Piggy Back Men, 2019, Oil on Aluminum Dibond (160 x 120 cm), Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Alexander James, Kyoto, 2017, Mixed Media on Fabric (91.5 x 61 cm), Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Héloïse Delègue, How many furious licks, 2019, Canvas Assemblage on Cotton and Textiles (130 x 140 cm), Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Héloïse Delègue, Phillip Reeves, Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artist © Patrick Dodds

Lucia Pizzani, Corazón, 2017, Terracota and Glazing Sculpture (20 x 15 x 12 cm), Installation View: Tactile Amnesia, PQH, 7-9 March 2019, Courtesy of PQH and the Artis © Patrick Dodds

Text: Teresa Löckmann
Bilder: © Patrick Dodds

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