Fräulein: Seit 2009 wird der PorYes Filmpreis verliehen. Was hat sich seitdem in der Branche verändert? Wie machen sich diese Veränderungen bemerkbar?
Laura Méritt: Insgesamt kann von einem Wechsel hin zum “Amateurporno” gesprochen werden, der auf der Forderung nach mehr Authentizität und “natürlichere” Körper der Frauenbewegung beruht. Diese Amateurpornos sind allerdings hoch industriell produziert. Außerdem hat die Mainstream-Pornografie recht schnell Begriffe Frauenporno, pärchenfreundlich, Sex-positiv aufgegriffen oder auch weibliche Regisseurinnen eingesetzt. Der Inhalt ist dabei nach wie vor mehrheitlich diskriminierend. Eine andere Sache.
Fräulein: Warum müssen wir feministische Pornos als ebensolche extra deklarieren?
Laura: Das tun wir, um sie von dem Mainstream-Porno abzugrenzen. Dort gibt es eine starke Normierung von Sexualität und Körper, alles was den Geschlechterstereotypen nicht entspricht, also nicht heteronorm ist, wird in Kategorien eingeteilt. So werden Fetische konstruiert wie zum Beispiel behaarte Frauen, alte Weiber, schwarze Männer oder Trans*.
Feministischer Porno lehnt Diskriminierungen ab, ob Sexismus, Rassismus, Able-, Size- und alle weiteren.
Fräulein: Welche wesentlichen Merkmale und Eigenschaften haben die Filme?
Laura: Es gibt drei wesentliche Aspekte, die einen feministischen Porno ausmachen:
Die Lust aller Beteiligten. Nicht, dass nur eine Person die Arbeit macht, der am Schluss dann ins Gesicht gespritzt wird. Das Drama in drei Akten: blasen, ficken, spritzen.
Vielfalt im Film. Das heißt, dass Leute verschiedener Altersgruppen gezeigt werden, verschiedene Körper, Kulturen. Auch, dass der Blickwinkel ein anderer wird. Nicht nur Genitalien sind auf dem Bild zu sehen. Es wird auch mal kommuniziert.
Faire Produktionsbedingungen. Der feministische “fair porn” setzt sich dafür ein, dass Konsens vereinbart und eingehalten wird. Auch vor der Kamera sollte es eine entweder verbale oder non-verbale Form von Zustimmung geben.
Fräulein: Welchen Einfluss hat (Bild)Sprache auf unsere Wahrnehmung von Wirklichkeit?
Laura: Natürlich hat sie einen Einfluss. Es geht um Normierung. Wenn nur rasierte Körper und große Brüste als normal gezeigt werden oder nur eine bestimmte Form von Sex, richte ich mich danach. Wenn ich viele körperliche und sexuelle Varianten dargeboten bekomme wahrnehme, beeinflusst das, wie ich mich selbst und andere Menschen sehe, und wie ich mit mir und ihnen umgehe. Denn normal ist die Vielfalt.
Fräulein: Sind feministische Pornos Nischenfilme?
Laura: Jede Bewegung fängt in einer Nische an. Sie muss erst einmal die Öffentlichkeit erreichen und wir haben es geschafft, in den letzten 10 Jahren in der medialen Öffentlichkeit zu stehen. Das Bewusstsein für Diskriminierungen ist laut Studien übrigens sehr hoch in der Bevölkerung und der Wunsch nach nicht diskriminierenden Darstellungen ebenso.
Einige Aspekte des Feminist Porn sind schon im Mainstream angekommen, und es gibt kommerziell erfolgreiche feministische alternative Plattformen wie Pinklabel.tv oder BrightDesire.com. Feministische Pornos sind kein Genre, sondern Kriterien, die nicht nur auf Pornofilme, sondern auf Filme allgemein angewendet werden (können). Wie werden die Frauen, beziehungsweise Geschlechter dargestellt, welche Fähigkeiten haben sie, welche Attribuierungen werden vorgenommen? Es geht um das Zeigen von Vielfalt, das Zeigen aller Geschlechter über Frauen und Männer hinaus. Auch Männer werden oft einseitig als permanente Hochleistungssportler abgebildet.
Fräulein: Du veranstaltest regelmäßig feministische Events. Was machst Du genau und wie groß ist die Nachfrage?
Laura: Der Freudensalon findet jeden Freitag statt und heißt auch Freutag. Zusätzlich gibt es Workshops und Seminare und Bildungskampagnen wie “MösenMonat März” oder “Wir spritzen zurück” zur weiblichen Ejakulation. Im Salon machen wir praktische Übungen und Massagen, diskutieren über Orgasmen und Säfte, tauschen uns über sexualpolitische Themen aus. Am letzten Freitag im Monat lade ich zum gemeinsamen Pornofilm gucken ein. Gerade jetzt bis zum Oktober und unserem PorYes-Award schauen wir die Filme der Nominierten, wir stimmen hier über den Publikumspreis ab.