In Frankreich kocht auf Staatsempfängen Alain Ducasse. In Deutschland stampft Angela Merkel Kartoffeln. Wir probieren es mit deutsch-französischer Freundschaft und einem Zero-Waste-Rezept auf Stern-Niveau.
Große Portionen für kleine Leute
Kürzlich hörte ich von jemandem, der den Erhalt seiner deutschen Staatsbürgerschaft mit einer Kartoffelparty feierte. Aha, dachte ich, Berlin ist zwar Food-Hauptstadt, aber dieses Vorurteil werden wir trotzdem nicht los. Wenigstens war es kein Currywurst-Rave. Schuld daran ist auch die Politik. Fünf Euro für eine Flasche Pinot Grigio, wie damals so keck von Steinbrück gefordert, sind ja eigentlich immer noch drei zu wenig. Wenn der französische Präsident zum Staatsdinner lädt, kocht Alain Ducasse. Wenn sich hierzulande ein Koch zu offensichtlich an Haute Cuisine versucht, wird er gleich von oberster Stelle abgemahnt: Angesichts dekorativer Spleens auf ihrem Teller ließ Merkel nach einem offiziellen Dinner ausrichten, eine Kartoffel möge bitte aussehen wie eine Kartoffel. Was nicht für jenes Gericht gilt, das sie – im Wechsel mit Rinderrouladen, Königsberger Klopsen und gegrilltem Fisch (nur im Urlaub) – als ihr Lieblingsessen nennt – die Kartoffelsuppe. Im Interview mit der Bunten verriet sie ihren Geheimtrick: „Ich zerstampfe die Kartoffeln für die Suppe immer selbst, mit einem Kartoffelstampfer, nicht mit der Püriermaschine. So bleiben in der Konsistenz kleine Stückchen übrig.“ Kartoffeln stampfen klingt nach Ärmel hoch und großen Portionen für kleine Leute. Große Portionen sind der Kanzlerin bei Staatsbanketten übrigens auch wichtig.
Rund fünfzig Kilogramm Kartoffeln isst jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr. Die „tolle Knolle“ ist in aller Munde (schluck). Akzeptieren wir diesen Zustand und machen das Beste daraus – einen Kartoffelstampf. Dazu brauchen wir weder Merkels Püriermaschine (meint sie einen Pürierstab?) noch andere ausgefallene Küchengeräte. Ganz nebenbei widmen wir uns mit diesem Rezept dem wichtigen Thema Zero Waste, also dem Versuch, beim Kochen keinen Abfall zu produzieren. Aus den Kartoffelschalen machen wir Chips, aus den Gemüseabschnitten ein Pulver, dessen natürliches Umami das leider ebenfalls sehr deutsche Maggi um Längen schlägt. Unbedingt empfehle ich, dazu eine Flasche Pinot Noir Basis von Enderle & Moll zu trinken. Der kommt aus Deutschland, kostet doppelt so viel wie Steinbrücks Minimum und ist jeden Cent wert.
Rezept für Kartoffelstampf mit Wintergemüse, Petersilienpesto, Apfelzwiebeln, Maggi-Creme und Kartoffelchips
Zutaten für zwei Personen
Für den Kartoffelstampf:
500 gr Kartoffeln, mehlig kochend
100 ml Vollmilch
60 gr Butter
1 Prise Muskatnuss
Meersalz
frisch gemahlener weißer Pfeffer
Für das Wintergemüse:
300 gr Schwarzwurzeln
300 gr Grünkohl
2 Handvoll Feldsalat
20 gr Haselnüsse
30 ml Noilly Prat
2 EL Butter
1 Knoblauchzehe
1 rote Zwiebel
Meersalz
Frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Für die Apfelzwiebeln:
1 rote Zwiebel
1 Apfel
1 EL Rohrohrzucker
1 Prise Meersalz
Für die Maggi-Creme:
200 gr Crème Fraîche
Gemüsereste: Schwarzwurzelschalen, Kohlreste, Petersilienstiele oder was gerade da ist.
Für das Petersilienpesto:
½ Bund Petersilie
½ Zitrone, Saft und Abrieb
50 ml Walnussöl, ersatzweise ein neutrales Speiseöl
30 gr Walnüsse
40 gr Bergkäse
1 Knoblauchzehe
Für die Kartoffelchips:
die Schalen von 500 gr Kartoffeln
1 EL Pflanzenöl
Meersalz
Frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Zubereitung:
Für das Pesto Walnüsse in der Pfanne rösten, dann hacken. Petersilie und Knoblauch grob hacken, Bergkäse reiben. Alles mit Öl und Zitronensaft pürieren.
Schwarzwurzeln schälen. Vorsicht, es tritt ein klebriger Saft aus, am besten Handschuhe verwenden.
Bis zur weiteren Verarbeitung in eine Schale mit Zitronenwasser geben, so werden sie nicht braun.
Kohl von unschönen Stücken befreien und in mundgerechte Stücke reißen. Wer möchte, vermengt einen Teil davon mit einem Esslöffel Pflanzenöl und backt sie als Chips bei 180 Grad zehn Minuten im Ofen.
Feldsalat waschen. Zwiebeln und Knoblauch fein würfeln.
Schalen der Schwarzwurzeln, Kohlreste und Petersilienstiele auf einem Backblech verteilen und bei 50 Grad mindestens vierzig Minuten dörren. Anschließend in der Küchenmaschine oder mit einem Pürierstab mahlen und mit Crème Fraîche verrühren.
Für den Stampf Kartoffeln gründlich putzen und schälen. Grün gefärbte Stellen aussortieren, die restlichen Schalen mit Öl, Salz und Pfeffer in eine Schale geben und gut vermischen. Im Ofen bei 220 Grad, am besten Umluft, zehn Minuten backen.
Geschälte Kartoffeln grob würfeln. In Salzwasser zwanzig Minuten garkochen. Wasser abgießen und Kartoffeln ausdampfen lassen. Anschließend mit einem Kartoffelstampfer grob zerstampfen. Wer keinen hat, benutzt zwei Gabeln. Es dürfen ruhig einige Stücke ganz bleiben. Milch und Butter untermengen und mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.
Für die Apfelzwiebeln die Zwiebel längs halbieren und in dünne Halbmonde schneiden. Den Apfel in feine Scheiben schneiden. Beides in Butter anbräunen, dann mit Zucker karamellisieren.
Schwarzwurzeln in reichlich Salzwasser zwanzig Minuten bissfest kochen. Abgießen und in feine Streifen schneiden.
Zwiebel und Knoblauch anbraten, Schwarzwurzeln zugeben, fünf Minuten rösten, dann Grünkohl zugeben, weitere fünf Minuten rösten, dann Feldsalat zugeben. Nach einer Minute mit Noilly Prat ablöschen. Salzen, pfeffern.
Kartoffelstampf auf Tellern verteilen, erst Wintergemüse darüber geben, dann die Apfelzwiebeln. Mit Pesto, Maggi-Crème, Kartoffel- und Grünkohlchips garnieren, mit Haselnüssen bestreuen und servieren.
Text: Eva Biringer