Die erste deutsche Einzelausstellung der koreanischen Künstlerin Lee Bul nimmt den Besucher mit auf eine Reise in eine andere Welt.
Futuristische Landschaften – Lee Bul: Crash
Sie ist einer der einflussreichsten koreanischen Künstlerinnen der letzten Jahrzehnte. Lee Bul bewegte mit ihren provokanten und erfinderischen Installationen und Perfomances schon oft die internationale Kunstwelt. In ihrer ersten Einzelausstellung in Deutschland widmet sie sich verschiedenen Landschaften. Sie erkundet deren Beschaffenheit und wendet den Blick auf den menschlichen Körper, zeigt wie dieser unsere Erfahrung der Außenwelt definiert. Die gesamte Ausstellung im Martin-Gropius-Bau Berlin ist wie ein Erlebnisparcour, der sich zwischen Sciencefiction und utopischer Konstruktion bewegt. Der Besucher taucht in die Kunstwerke ein und wird dadurch selbst Teil der Installation. Bul macht ihre Kunst nicht nur sinnlich erfahrbar, sondern spielt auch subtil auf politische und historische Ereignisse ihrer Heimat an.
Sie verwendet bei ihren Skulpturen komplexe, sorgfältig bedachte Materialien wie Seide, Perlmutt oder Kristalle. Dabei lässt sie die Stoffe aneinandergeraten und in Kontrast treten. Mit verspiegelten Oberflächen wird die Wahrnehmung des Betrachters gestört, er selbst wird in das Kunstwerk eingebunden. Die Installation „Via Negativa“ zum Beispiel ist eine labyrinthartige Kapsel, in dem Spiegel und Glühbirnen den täuschenden Eindruck endloser Wege erzeugen und fragmentierte Spiegelbilder des Betrachters zurückwerfen. Die Künstlerin beschreibt diese Fragmentierung als „den einzigen Weg, etwas zu erreichen, worauf wir uns als allgemeine Erfahrung einigen können“.
Zerstücklung gibt ebenso den Cyborgs ihr Aussehen. Die Körper sind eine Mischung aus ikonischen Skulpturen, die an die Venus von Milo erinnern, und sexuell aufgeladenen Darstellungen westlicher Frauen. Mit ihren fehlenden Gliedmaßen werden sie zu futuristischen Hybriden aus Mensch und Maschine. Durch das Auseinanderbrechen und Zusammensetzen der verschiedenen Figuren, vergleicht Bul den Körper mit einer Maschine und spielt auf die gesellschaftliche Sehnsucht nach Perfektion und das Verhältnis zum weiblichen Körper und zur Technik an.
Den Einfluss, den die Teilung Koreas, sowie die damals herrschende Diktatur auf sie hatte, spiegelt die Künstlerin in architektonischen Visionen wieder, die die Unterdrückung und Hilflosigkeit dieser Zeit zum Ausdruck bringen. Es ist kein Zufall, dass Crash im Gropius Bau ausgestellt wird. Er war bei der Entwicklung der Ausstellung Inspirationsquelle für die Künstlerin. Nur wenige Meter vom Gebäude entfernt, verlief die Berliner Mauer, die das Land einst in Ost und West teilte. Ein Zustand, den Bul, die in der Nähe der südkoreanischen Grenze aufwuchs, nur allzu gut kennt und ihren Werken verarbeitet. Die Parallelen der historischen Entwicklung beider Länder berücksichtigte Bul bei der Zusammenstellung ihrer Ausstellung in Berlin.
Crash ist nicht nur ein Debut für Lee Bul, sondern auch für Stephanie Rosenthal, die erstmals eine Ausstellung als neue Direktorin des Gropius Bau kuratierte. Wie sie dem Tagesspiegel zu Anfang des Jahres erklärte, will sie „offene Räume schaffen, aus denen man beschwingt wieder heraustritt und durch die Kunst die Freiheit verspürt, anders zu denken.“ Crash ist da mit Sicherheit ein guter Startschuss.
Wann: 29. September 2018 bis 13. Januar 2019
Wo: Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin
Text: Nadja von Bossel
Fotos: Mathias Völzke