New York stellt Benachteiligung und Stigmatisierung aufgrund der Haartracht unter Strafe.
Freiheit für die Frisur
Der US-amerikanische Bundesstaat New York verkündete am 18. Februar ein neues Gesetz, das Menschen vor Diskriminierung angesichts ihrer (gewählten) Frisuren schützen soll – eine Regelung, die vor allem eines bekämpfen soll: Rassismus.
Das Jahr 1619 schreibt den Anfang einer Geschichte, deren Erbe bis heute nachhallt und unerbittlich Einfluss auf das gesellschaftliche Leben weltweit nimmt. Neunzehn versklavte Afrikaner erreichten das englische Festland Nordamerikas. Im Laufe des 17. Jahrhunderts, mit der Besiedlung der Kolonien, kamen immer mehr Schwarze in die Neue Welt – mehrheitlich als Sklavenarbeiterinnen und Sklavenarbeiter. Daran änderte weder die 1776 in Kraft getretene Unabhängigkeitserklärung noch die amerikanische Verfassung von 1787 etwas, die im Sinne der Aufklärung unveräußerliche Rechte und die Gleichheit aller Menschen proklamierten. Ebenso betroffen von offenem Rassismus waren Städte und Wohngebiete, in denen Sklaverei weniger stark verbreitet war. Das mehrheitlich verbreitete gesellschaftliche Meinungsbild der Weißen ordnete Schwarze als minderwertige Bevölkerungsgruppe zu. Bis in die 1960er Jahre hinein waren daher in vielen Staaten eine Beziehungen oder Heirat zwischen Schwarzen und Weißen strengstens untersagt. Nicht zuletzt mit den darwinistischen Prinzipien und/oder der Bibel wussten Weiße ihre rassistischen Haltungen und Handlungen zu rechtfertigen. Die folgenden vier Jahrhunderte werden zur Geschichte des Kampfes um Freiheit, Gleichheit und Bürgerschaft von Menschen afroamerikanischer Herkunft. Ein Kampf, der auch vierhundert Jahre später nicht an Aktualität und Brisanz verloren hat.
Februar 2019. Die Vereinten Staaten feiern den 93. “Black History Month”. Ein Monat – wohlgemerkt der kürzeste des Jahres – mit Tradition seit 1926, der an die herausragende kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leistung der schwarzen Bevölkerung zur Geschichte des Landes erinnert. In vielen anderen Ländern wird heute mit verschiedensten Veranstaltungen die Schwarze Kultur und Geschichte im Februar zelebriert. Ebenso in Deutschland erklärte man 1990 den zweiten Monat des Jahres zum Monat der afrikanischen Bevölkerung. Gemeinsam, in unterschiedlichen Ländern dieser Welt, würdigen die Menschen unter anderem die zentrale Bedeutung Schwarzer für den expansiven Wachstum der Industrie- und Konsumwirtschaft – ein weltweiter Reichtum, der auf der unbezahlten Arbeit von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern aufgebaut wurde.
Gleichheit, Bürgerlichkeit und Freiheit. Inmitten des “Black History Month” verkündete das Gericht New Yorkes zukünftig gegen diskriminierende Äußerungen und Handlungen wegen (gewählter) Haarfrisuren strafrechtlich vorzugehen. Eine Missachtung der neuen Regelung wird mit einer Geldstraße von bis zu 250.000 Dollar (etwa 220.000 Euro) geahndet.
Dass die Welt, und es wird mit Sicherheit nicht nur den Bundesstaat New York betreffen, ein Gesetz benötigt, welches menschenrechtsverletzendes Verhalten verbietet, beweist wiedermal die Dringlichkeit von symbolischen Akten, wie einem Monat zu Ehren der afroamerikanischen Bevölkerung, der auf bestehende Diskriminierungstendenzen aufmerksam macht.
Die “New York City Commission On Human Rights” sah sich zu diesem Schritt beaufragt, um bewusst gegen rassistische Stereotype, nach denen die Frisuren von Schwarzen in vielen Branchen als unprofessionell charakterisiert werden, vorzugehen. Frisuren, die Teil einer kulturellen und ethnischen Identität sind.
Ob Naturhaar, gemachte oder ungemachte Frisuren wie Zöpfe, Locken, Cornrows, Bantu-Knoten, Fades, Twists und Afros: die Wahl der Frisur ist eine Entscheidung, die jeder und jedem, ob schwarz oder weiß, sowohl am Arbeitsplatz als auch in öffentlichen Räumen inklusive Restaurants und Schulen, frei zusteht.
Besonders in Schulen, ein Ort, der Einfluss auf die Entwicklung und Identitätsfindung ausübt, sollen künftig junge Menschen weder in ihren Grundrechten eingeschränkt werden noch über Verbote bestimmte (rassistische) Ideale gelehrt bekommen. Gerade auf beruflicher Ebene wurde bislang die aktive Schwarzendiskriminierung unter dem Deckmantel von Professionalitätsrichtlinien verschleiert, die nach Carmelyn P. Malalis, Vorsitzende der Menschenrechtskommission von NYC, lediglich von Weißen missbraucht wurden, um Schwarze weiterhin in ihren Rechten, Chancen und Freiheiten zu begrenzen.
"When you feel empowered, you can achieve anything. This is how we want black women and girls – and anyone else with curly hair – to feel after seeing our billboards. We want to inspire them to feel confident in the skin they are in and the hair that that they wear.” Lekia Lée
Das neue Gesetz verdankt New York den eingegangenen Beschwerden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einer medizinischen Einrichtung und einer Wohltätigkeitsorganisation über die unverhältnismäßig scharfen Richtlinien von Haarfrisuren am Arbeitsplatz. Berufe, die an bestimmte Hygieneregeln gebunden sind, bleiben von der Regelung unberührt. In diesem Fall gilt: was schwarz betrifft, betrifft in gleicherweise auch weiß.
Bereits ein Jahr zuvor versucht Lekia Lée mit einem Projekt im Vereinigten Königreich stärkere Akzeptanz für das Haar afroamerikanischer Menschen zu fördern. Eine in der Gesellschaft nahezu tiefverwurzelte Abneigung gegen lockige, von der Weißen Norm abweichende Haarstruktur, wurde zu einem Mainstream propagiert, der in den vergangenen Jahrzehnten zu fehlender Diversität von Schönheitsidealen in den Massenmedien führte. Die #Afrovisibility billboard campaign 2018 ermöglichte afroamerikanischen Frauen ihre Haare mit Stolz der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ästhetisch anspruchsvolle Fotokampagnen sollten helfen mit gängigen Vorurteilen aufzuräumen.
Das Ziel der Gründerin Lekia Lée und ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter war in erster Linie die Wahrnehmung vom (weißen) Standard zu verändern und besonders junge afroamerikanische Mädchen und Jungen zu ermutigen sich, mit den Haaren die sie tragen, sicher zu fühlen.
Schutz und Sicherheit ist den afroamerikanischen Frauen und Männern in New York spätestens mit dem neuen Gesetz gegeben.
Das Jahr 2019 wird damit hoffentlich zum Jahr der Haarvielfalt und neuer Experimente auch unter Weißen.
New York setzt damit als erste Stadt in den Vereinten Nationen ein derartiges Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung. Das Gesetz ist bereits vergangene Woche in Kraft getreten und bekämpft bewusst Rassismus.
Text: Teresa Löckmann
Bild: Unsplash & Project Embrace