Fashion Reloaded. Wohin mit der Berlin Mode?

vor 9 years

Mode zu machen bedeutet, Dinge stetig neu zu erfinden, auch wenn man glaubt, alles sei bereits da gewesen“, heißt es in der Einleitung zur sechsten ZEITmagazin KONFERENZ Mode & Stil, die zum Auftakt der MercedesBenz Fashion Week Berlin gestern im Kronprinzenpalais stattfand.

Unter dem Motto »Fashion Reloaded» drehte sich in dieser Saison alles um das Thema Kreativität, einem der eigentlich wichtigsten Aspekte der Mode. Doch wie sieht es in der Gegenwart aus? Bleibt den Designern zwischen Businessplan, Selbstvermarktung und immer schnelleren Kollektionswechseln überhaupt noch genug Zeit und Energie, um das kreative Potenzial voll auszuschöpfen? Tillman Prüfer, seines Zeichens leitender Moderedakteur beim ZEITmagazin, vertritt dazu eine ganz klare Meinung: Mode ist der Stoff in den Träume eingewebt sind.“ Wenn es aber fortan nur noch um Likes und Konsumierbarkeit geht, wird sie schnell beliebig. Dann läuft sie Gefahr die Symptomatiken und Potenziale ihrer eigenen Zeitlichkeit auszublenden, um stattdessen nur noch bereits Existierendes zu reproduzieren – und damit schafft sie sich schließlich selbst ab. Anders sieht die Sache Justin O´Shea, der aktuell wohl begehrteste Einkäufer der Modewelt. Aber wen wundert das? Sein Image haben Social Media-Plattformen wie Instagram maßgeblich mitgeprägt und als Buyer für mytheresa.com, eines der führenden Shopping-Portale im Netz, sind Klicks wie eine ganz eigene Währung. Trotzdem kann auch er nicht leugnen, dass Likes und Visibility in den letzten Jahren zum essenziellen Bestandteil der Modewelt geworden sind.

Insgesamt geht es auf der Mode & Stil-Konferenz dieses Mal fast schon ungewohnt kritisch zu. Es scheint, als möchte die Modestadt Berlin allmählich aus den Kinderschuhen herauswachsen. Statt wild und unkonventionell zu sein, geht es den Designer mehr und mehr um Akzeptanz – auch auf dem europäischen Markt. Das rückt die Frage nach dem kreativen Potenzial der Stadt gleichzeitig in ein ganz neues Licht. „Berlin muss lauter werden“ und besonders in der Mode mehr aus sich herauskommen, steht für Jungdesignerin und Neu-Berlinerin Marina Hoermanseder fest. Für die Pragmatikerin ist Mode mittlerweile auch ein knallhartes Business, in dem es vor allem auch um Zahlen, Margen und Marktanalyse geht. Umso dankbarer ist sie, als eine der ersten Designer überhaupt vom frisch gegründeten German Fashion Council gefördert zu werden. Das mache den Austausch mit erfahrenen Köpfen der Branche erst möglich. Der bleibt vielen ihrer Kollegen verwehrt – leider.

Fast bekommt man das Gefühl, die ansässige Modeszene hängt irgendwie in der Warteschleife fest. Obwohl die Anziehungskraft Berlins national, wie international, nach wie vor ungebrochen scheint – gerade für die Kreativwirtschaft. Liegt es vielleicht an der Angst, sich mit der eigenen Ikonografie zu befassen, von der Dr. Christian Ehler, Mitglied des Europäischen Parlaments spricht? Ist das typische Berliner Understatement eher ein Schutz, um nicht als eitel abgestempelt zu werden? Vielleicht wird es Zeit, damit endlich zu brechen. Die Branche steht an einem Wendepunkt, an dem sie wohl mehr als ihre etablierten Nachbarn Paris, Mailand und London Spielraum hat, mit Kreativität zu experimentieren und Neues zu etablieren. Der Tenor der Konferenzsprecher gibt jedenfalls am Ende eine klare Antwort: Weniger visueller Geltungszwang, mehr Konzentration auf das Wesentliche. Wir müssen weg von der Idee, dass Kreativität ein Volkssport ist, an dem jeder teilnehmen muss. Der kreative Prozess an sich ist vielmehr einer, der oft durch Entbehrungen und Frustration geprägt ist – einer, der vor allem Zeit braucht. „Wenn wir mit Mode richtig umgehen, liegt eine unglaubliche Kraft darin“, betont Christiane Arp. Warum also nicht einen Gang zurückzuschalten und wieder lernen, jenseits etablierter Konventionen zu denken? Der Ausgangspunkt dazu wäre ideal. Dann darf sich Berlin wohl auch schon bald wieder über einen leidenschaftlichen Kuss der Muse freuen.

von Laura Sodano

Bild 1: TiIlman Prüfer, Christiane Arp und Christoph Amend, ©Phil Dera für die Zeit
Bild 2: Christoph Amend und Justin O’Shea, ©Phil Dera für die Zeit
Bild 3: Dr. Christian Ehler, Marina Hoermanseder und Tillman Prüfer, ©Phil Dera für die Zeit
Bild 4: ©Phil Dera für die Zeit

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