In China seit Jahren etablierter Alltag. Deutschland hingegen verweigert innovative Bezahlformen, oder?
Ein Exkurs ins Mobile Payment
Es könnte so einfach sein: Smartphone vor das Lesegerät an der Kasse halten, bezahlen und los – vielleicht dadurch Kosten und Umweltschäden dank unnötig werdender Kassenbons vermeiden. Schließlich ist der ganze Einkaufsverlauf auf dem Handy gespeichert.
Was in China, seit Jahren mit der App WeChat Normalität ist, bahnt sich leise und schleichend einen Weg in die deutsche Gesellschaft. Die Super-App WeChat, in Reichweite vergleichbar mit WhatsApp in Deutschland, vereint alles was der chinesische Autonormalverbraucher heute braucht. Es ist wohl die erste App, die tatsächlich lebensnotwendig ist. Neben der Kommunikationsmöglichkeit, wie sie uns von WhatsApp bekannt ist, ermöglicht WeChat – vergleichbar mit von uns personalisierten Nachrichtenportalen – jederzeit alle Infos über die jeweiligen Lieblingskünstler, Sportler und aktuelle Nachrichten zu erhalten. Mit WeChat Pay wird dann sogar das Bezahlen per Smartphone möglich und geht über gängige Verkäufe, die online vollzogen werden, längst darüber hinaus. Über 600 Millionen Menschen in China bezahlen auf diese Weise ihr Mittagessen im Restaurant, kaufen im Supermarkt ein, zahlen ihre Miete, begleichen Strom- und Gasrechnungen oder transferieren Geld an Freunde. WeChat hat es damit in großen Entwicklungsschritten von einem Chat-Tool zu einem Nachrichtenportal bis hin zu einer Mobilen-Payment-Allzweckwaffe geschafft. Für den Bezahlvorgang ist dann weder ein PIN oder eine Tan notwendig; alles läuft über QR-Codes. Auch Kinokarten können auf diesem Weg bestellt, Arzttermine gebucht oder Handwerker beauftragt werden.
In Deutschland existiert keine vergleichbare App. Die Deutschen zeigen sich grundlegend sehr zurückhaltend im Umgang mit Online-Bezahlsystemen. PayPal – im Februar 15 Jahre alt geworden – brauchte Jahre bis es sich gesellschaftlich etablierte. Heute kommt es vor, dass man hört „ist gepaypalt“, kurz nachdem der Cappuccino für einen Freund bezahlt wurde. Scheinbar brauchen in Deutschland Entwicklungen Zeit und vor allem Bürgerinnen und Bürger Sicherheit. Wie es scheint, wollen wir über alle – auch nicht sichtbaren Vorgänge – Bescheid wissen. Persönlichen Daten geben wir selbstverständlich auch nur sehr widerwillig preis.
In 2018 veröffentlichte empirische Studien zeigten, dass nur sehr wenige Menschen in Deutschland von EC-Karten- oder Barzahlung auf mobile Varianten umgestiegen sind oder auch bereit sind dies zukünftig zu tun. Die Redakteure der Zeit Lisa Nienhaus und Jens Tönnesmann starteten diesbezüglich ein Experiment. Sie testeten die Möglichkeiten und Grenzen von den Smartphone Bezahlungsmethoden Apple Pay und Google Pay. Die Installation auf dem Smartphone erwies sich in beiden Fällen als simpel; hingegen überzeugten die gegebenen Möglichkeiten die Bezahlungsmethode auch wirklich zum Einsatz kommen zu lassen nicht. In Deutschland ist es weiterhin vielerorts nicht möglich per Smartphone zu zahlen. Was beispielsweise in London selbst bei dem Kauf eines Schokoladenriegels im Kiosk möglich ist, wird in Deutschland schnell zum Problem. Auch wenn in Supermärkten grundsätzlich die Option gegeben ist, wissen viele der dort angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wie mit der Möglichkeit umzugehen ist. Irritation, Staunen aber auch kritische Blicke begleiten die Testpersonen in ihrem Alltag mit der mobilen Zahl-Methode. Das liegt nun mehr als vier Monate zurück.
Neuere Ergebnisse zeigen Veränderungen – aufgefallen ist dies allerdings bisher kaum. Die PwC-Studie zu Mobile Payment zeigt: die Hälfte der unter 30-jährigen bezahlt regelmäßig mit dem Smartphone. Starkes Misstrauen allerdings herrscht weiterhin bei Altersgruppen über 30 und älter vor. Sehr problematisch wird bewertet, dass viele der Hausbanken bisher keine Möglichkeit der neuen Zahl-Methode zur Verfügung stellen. 87 Prozent der Befragten würden den Banken und Sparkassen personenbezogene Daten anvertrauen; Google hingegen nur 35 und Apple gerade mal 29 Prozent. Nach 15 Jahren vertraut zumindest jeder Dritte in Deutschland PayPal.
Trotz gesteigertem Interesse bleibt der Faktor Vertrauen wohl maßgebend. Viele äußern heute noch immer große Bedenken überhaupt Online-Banking auf dem Smartphone zu installieren. Auch Kreditkartennutzung sehen viele als eine potenzielle Gefahrenquelle: schließlich könnte ja auf irgendeine Art und Weise mein Geld gestohlen werden. Deutschland zahlt Bar oder auf Rechnung – gestern, heute und vermutlich auch noch die nächsten Jahre.
Mittlerweile werden auch über Bezahlungsvorgänge via Herzschlag oder Selfie-Foto diskutiert. Ob das Möglichkeiten sind, die deutsche Bürgerinnen und Bürger vorziehen würden?
Text: Teresa Löckmann