Die Sache mit der Schönheit

vor 8 years

Das Frauenbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt – in den Medien, der Fotografie, in unseren Köpfen.

Der perfektionistische Ansatz aus den Neunzigern landete schlussendlich bei Lena Dunham und unserem Fräulein Petra Collins, die Schamhaare und Fettpolster zelebrieren. Wie entspannend. Doch diese Einsicht hat gedauert. Es gibt noch immer po-litische Höhen und Tiefen, in denen sich die feministischen Ideen anfühlen, als seien sie in den Achtzigern stehengeblieben. Man denke an Kim Kardashian und den Hype um ihr Hinterteil, mit dem sie sich in Zeiten der Emanzipation ausschließlich auf ihr Äußeres reduzieren lässt und eine regelrechte Diskussion entfacht, welcher Po der Männerwelt am besten gefalle. Nichtsdestotrotz kann man seit einigen Jahren eine neue und junge feministische Bewegung beobachten: Frauen möchten sich so zeigen, wie sie tatsächlich aussehen – mit Cellulite und ohne Photoshop. Die Modefotografie verhält sich dabei auch heute noch oft wie ein Spiegelbild der teilweise konservativen Blicke unserer Gesellschaft.

John Berger sagte vor 44 Jahren zum Schock der unabhängigen, modeaffinen Frau von heute: „Männer sehen Frauen an. Frauen sehen sich, wie sie angesehen werden. So verwandelt sie sich in ein Objekt – und besonders ein Objekt des Blickes.“ Die Frau als Gegenstand? Moment mal: So ein Bild konnte sich über Jahrzehnte in der Modefotografie halten? Die Frau als Kleiderpuppe. Die Frau als Accessoire. Die Frau als Objekt, das dem männlichen Auge dienen sollte. Nun ja, das Zitat stammt von 1972 und war schon damals mehr als veraltet. Seitdem fand eine weibliche Revolution statt, gefördert von Modefotografinnen, die einen unvoreingenommenen Blick auf die Frau haben. Frei von sexuellen Männerfantasien oder Machtgefühlen. Dieser Revolution widmet sich aktuell die Ausstellung „The Female Gaze“, die im Rahmen des Photo Vogue Festivals in Mailand stattfindet. 47 Frauen zeigen ihren Blick auf die Frau, von den Siebziger Jahren bis heute.

Die amerikanische Fotografin Petra Collins gehört zu einer neuer Generation feministischer Künstlerinnen und interpretiert mit ihrer Fotografie alte feministische Ideen neu und dem Zeitgeist entsprechend. Frauen dürfen und sollen sich so zeigen und wohlfühlen, wie sie sind. Mit all ihren Makeln. Donna Trope hingegen reflektiert die Schönheitsideale, die in der Gesellschaft herrschen und kritisiert diese mit Konfrontation. Die Modefotografie zeigt noch immer überwiegend Models mit perfekten Gesichtszügen, ohne ein Gramm Fett oder einer Falte an ihrem schlanken Körper. Der Post-Produktion sei Dank? Wohl eher nicht. Dass es in der Realität nicht so einfach ist und mit eben dieser Modefotografie unterschwellig eine fälschliche Vorstellung von Schönheit vermittelt wird, hat zur Folge, dass die Gesellschaft von Petra Collins‘ Bilder geschockt ist und nicht etwa von den überbearbeiteten Unterwäsche Plakaten, bei denen jede Spur von Natürlichkeit ausgelöscht wird.

Um den gewohnten Blick herauszufordern tauscht Trope die gängigen Accessoires gegen Spritzen und überdimensionale Lupen und führt uns damit die Wirklichkeit vor Augen. Denn auch Models sind nicht perfekt – das weiß die Fotografin Lina Scheynius nur zu gut. Die 35-jährige Schwedin startete als Model in die Branche, um dann auf die andere Seite zu wechseln. Jahrelang wurden ihr Schönheitsideale auferlegt, die nicht ihre eigenen waren, bis sie 2008 die Reißleine zog. Durch Selbstporträts lernte sie schließlich ihren Körper zu schätzen und respektieren. Nackt und unverschönt, aber real. Jetzt nimmt sie andere Frauen vor die Kamera und projiziert eine Schönheit, die von innen zu kommen scheint. Die mit Wohlfühlen zu tun hat und echt ist.

Die Ausstellung „The Female Gaze“ findet im BASE Milano statt und läuft nur noch heute.

Beitrag: Louisa Markus
Bilder: © Petra Collins (Brace Kiss, 2014), © Donna Trope (Blow up, 1997), © Arvida Byström (From the series Alone Online), © Cass Bird (Candice, 2014)

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