Das Clubsterben in Berlin und anderen Großstädten Europas geht weiter. Doch es regt sich Widerstand.
Clubsterben Continues
Freitag bis Sonntag im Club feiern, die Nächte zu Tagen machen – es ist das, was Berlin für viele Menschen so besonders macht und sie in diese Stadt zieht. Doch die Clubkultur in Berlin steht unter Druck und immer wieder müssen geliebte Locations ihre Pforten schließen. Der Bau einer Autobahn bedroht nun weitere große Clubs und lässt fragen, in welche Richtung sich diese Stadt bewegt. Aber auch über Berlin hinaus findet das Clubsterben in ganz Deutschland und Europa seine Opfer. Wie kommt es dazu und welche Lösungen bieten sich an für den Erhalt von Kultur in Städten?
Berlin ist bekannt für seine vielfältige Clubkultur, insbesondere für die elektronische Musikszene. Dass nun mit der Wilden Renate, dem ://About blank, der Else und dem Polygon vier weitere bekannte Locations möglicherweise vor dem Aus stehen, könnte viele Clubgänger schocken. Der geplante Weiterbau der Stadtautobahn A100 soll genau durch ihre Lagen führen und die Clubs dazu zwingen ihre Türen zu schließen. Aber auch andere Locations mussten in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen schließen oder sind derzeit bedroht – wie unter anderem 2018 das Rosis und das St. George. Auf dem RAW-Gelände wurde jetzt grünes Licht für die Bebauung durch den Eigentümer gegeben, wobei ein Großteil der Läden geschützt bleibt – unklar ist jedoch, was mit dem Suicide Circus und Weiteren passiert.
Dass das Phänomen des Clubsterbens um sich greift und nicht nur Berlin betrifft, zeigen verschiedene statistische Untersuchungen. Während es im Jahr 2009 noch über 2400 Clubs in Deutschland gab, sind diese bis 2015 auf 2000 gesunken. In Großbritannien sank die Anzahl von 3144 Clubs innerhalb von 11 Jahren sogar auf nur noch 1733 Stück im Jahr 2016 und in Paris wurde mit dem “Concrete” derzeit eines der beliebtesten Locations bedroht, wogegen sich viele Menschen jedoch erfolgreich mit einer Online-Petition richteten.
Verdrängung durch neue Nachbarn und große Investoren
Gründe für das Verschwinden der Clubs gibt es einige. The Economist sieht Erklärungen einerseits darin, dass immer weniger junge Menschen tanzen gingen und Drogen nehmen – was in Berlin wohl eher fraglich erscheint. Des Weiteren werden Festivals immer beliebter. In einer Umfrage gaben 54 Prozent der 18 bis 35 Jährigen an, ihre beliebtesten Kulturveranstaltungen seien Festivals und OpenAirs. Doch betrachtet man die Vorgänge in vielen Großstädten, sind oft Clubs vom Aus bedroht, die etabliert und äußerst beliebt sind. Meist spielen hier Beschwerden über Lärmbelästigung durch neue Anwohner oder Verdrängung durch Investoren eine größere Rolle. Der steigende Mietspiegel macht vielen Clubs, aber auch Kulturräumen und Gemeinschaftsgärten in Berlin zu Schaffen. Oft werden Locations durch neue Investorenprojekte verdrängt, erklärt eine Sprecherin von Reclaim Club Culture, die sich für eine emanzipatorische Clubkultur einsetzen und mit einem Trauerzug zuletzt auf das Aussterben von Clubs und Kultureinrichtungen aufmerksam machten.
Auch das Kollektiv des ://About Blank in Berlin, welches mit uns über die A100-Bebauungspläne sprach, sieht in dem Anheuern von Großinvestoren und der profitorientierten Verwertung des Stadtraums einen wichtigen Grund für das allgemeine Sterben von Kultureinrichtungen: “Die Rede vom Clubsterben scheint uns ein wenig kurz gegriffen. Es gibt zur Zeit viele Läden, die schließen müssen. Das hat damit zu tun, dass eine Phase relativer Freiheit und vor allem verfügbarer Räume, die 1989 begann, nun zu Ende geht. (…) Der kapitalistische Zwang zur Wertverwertung führt notwendigerweise dazu, dass in attraktiven Gegenden auch die letzten Nischen, Freiräume und Orte für alternative Kultur unter Druck geraten.”
Wie sieht die Stadt von morgen aus?
Clubs stellen für viele von uns einen Ort dar, wo sie sie selbst sein können, den Alltag vergessen und mit Gleichgesinnten feiern können – für manche sogar eine Art zweites Zuhause. Gleichzeitig bieten sie Raum für neue Künstler und Künstlerinnen sowie kreativen Austausch. Wie sehe eine Stadt aus, in der diese Orte irgendwann kaum noch vorhanden sind? Berlin zum Beispiel ist bereits jetzt nicht mehr zu vergleichen mit dem Berlin der 90er Jahre, das mit seinen leerstehenden Fabriken und Flächen Raum für kreative Anarchie bot. Wird die Stadt von morgen hauptsächlich aus Hochhäusern und Highways bestehen?
Viele Menschen wollen diese Vorstellung und die aktuellen Vorgänge nicht hinnehmen und richten sich auf verschiedensten Wegen mit Protest gegen die Schließungen. Gegen den Weiterbau der A100-Stadtautobahn in Berlin hat sich z.B. ein Bündnis aus den betroffenen Kultureinrichtungen, Clubs und Anwohnern geformt. Bis jetzt ist tatsächlich nur der 16. Bauabschnitt der A100 abgesegnet und in Bebauung. Wie uns das Kollektiv des ://About Blank erklärte, wurde die Planung des 17. Bauabschnitts – der über die Spree am Ostkreuz führen soll und die besagten Clubs und Einrichtungen gefährdet – jedoch vom Bund übernommen und als „im Bau“ bezeichnet. Das Kollektiv äußerte uns gegenüber viele Zweifel bezüglich der Sinnhaftigkeit der Erweiterung der Stadtautobahn – auch in ökologischer Hinsicht:
“Es sind ja nicht nur Clubs betroffen, sondern ein lebendiger Kiez rund ums Stralauer Viertel. (…) Darüber bedroht das Verkehrskonzept aus dem letzten Jahrhundert (1 Familie, 1 Verbrennungsmotor) aber nicht nur Clubs und einen Kiez, sondern den Planeten und die Zukunft der Menschheit. Die menschengemachte Klimakrise lässt uns noch einen Handlungszeitraum von etwa 12 Jahren. Diese Zeit haben wir, um Mobilität und innerstädtische Logistik radikal neu zu denken und klimagerecht zu gestalten. Stattdessen setzt die Bundesregierung alles daran, ein anachronistisches Verkehrskonzept umzusetzen.”
Zudem sei der Weiterbau der A100 mit vielen planungstechnischen und baulichen Hindernissen verbunden. Es besteht also Hoffnung, dass das Projekt noch kippen könnte. Wie das ://About Blank Kollektiv erklärt, hängt der Weiterbau von der Zustimmung vieler Instanzen ab. “Und natürlich vom zivilgesellschaftlichen Druck der Anwohner*innen und der Initiativen, die sich gegen die Autobahn stellen.”
Clubs als Bestandteil städtischer Lebensqualität
Doch welche Lösungen gibt es, um das massenhafte Sterben von Clubs und Kultureinrichtungen aufzuhalten? Der Wirtschaftgeograf Johannes Glückler schlägt vor, dass Städte und Kommunen Clubs als Kulturstätten begreifen und diese auch als solche fördern sollten, um sie vor dem Schließen zu schützen. Hier stellt sich allerdings die Frage, inwieweit die Politik dadurch Einfluss auf das Programm und die Inhalte von Clubs nehmen könnte. Diese sollten in ihrer Funktion als Räume für kreatives Ausprobieren schließlich nicht durch städtische Instanzen beeinflusst werden. Auch Kooperationen mit politischen und humanitären Projekten wären dann vielleicht nicht mehr so möglich, um gesellschaftlich etwas auf die Beine zu stellen. Dass dies bereits nicht immer erwünscht ist und unter Beschuss steht, vermuten Aktive in der Clubszene bezüglich des gewaltvollen Polizeieinsatz im Mensch Meier Ende März diesen Jahres. Der Einsatz wurde offiziell als Zollkontrolle begründet, doch die Clubbetreiber erklärten, dass sich der Einsatz gegen die an dem Abend veranstaltete Soliparty für die Organisation Seawatch gerichtet haben könnte.
Die Demonstrierenden von Reclaim Club Culture fordern hingegen als Lösungen, dass Mietverträge für Clubs länger aufgesetzt werden, Rückkäufe stattfinden und die Anmeldung von Veranstaltungen durch Behörden mehr unterstützt wird.
Wahrscheinlich werden Clubbetreiber und Kreative jedoch gezwungen sein, alternative Ideen zu entwickeln. Seit langer Zeit sind Open Airs sehr beliebt, um in der Natur und unter freien Himmel tanzen zu können. Doch auch diese werden immer schwieriger durchzuführen aufgrund verschiedener Regelungen. Angekündigte Brandschutzregelungen in Berlin könnten es in Zukunft erheblich erschweren Veranstaltungen in verlassenen Orten und Fabriken abzuhalten, da diese bei der Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Bezirks mit langem Vorlauf angemeldet werden müssten. Es scheint als wären Kultur und ausgelassenes Feiern allgemein unter Beschuss für den Gewinn von Kontrolle, Sicherheit und Profit.
Es wird deutlich, dass die Zukunft von Städten stark umkämpft ist und vor der Herausforderung steht, verschiedene Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen. Um eine Stadt der Zukunft zu bauen, muss die Lebensqualität der Menschen im Fokus stehen, welche sich aus dem Zusammenspiel von sozialen, kulturellen, ökologischen und ökonomischen Aspekten ergibt. Dabei dürfen Städte und Kommunen den Wert von Clubs und anderen alternativen Kultureinrichtungen für das städtische Leben nicht vergessen. Diese sollten jedoch nicht als Lockmittel für Touristen und Bestandteil der Gentrifizierungs-Maschinerie ausgenutzt werden, um schließlich Verdrängung durch große Investoren zu erfahren.
Kulturelle Räume machen das alltägliche Leben bunter und vielfältiger. Der Großteil der Menschen möchte nicht in einer Stadt leben, die nur aus Office-Häusern, überteuerten Restaurants und gepflasterten Straßen besteht. Es müssen Lösungen gefunden werden, die sowohl dem Wunsch nach Kultur als auch Wohnen gerecht werden. Die Investition in Lärmschutz war in Berlin ein wichtiger Schritt, doch jetzt ist es auch daran Clubs und andere Einrichtungen vor dem steigenden Mietspiegel und oft unnötigen Großprojekten zu schützen, die von einem Großteil der Bürgerinnen und Bürgern eh nicht gewollt sind.
Text: Stefanie Triebe
Bilder: Unsplash