Zum Auftakt der neuen “Luxus”- Ausgabe unseres Schwesterntitels Numéro Berlin, sprachen wir mit Hans Feurer, einem der bedeutendsten Schweizer Modefotografen.
Vor seiner Linse posieren in den 60er, 70er und 80er Jahren die schönsten Frauen der Welt. Ikonen wie Grace Jones, David Bowie-Ehefrau Iman, Christy Turlington und die 68-er Ikone Uschi Obermaier zum Beispiel. Mit seinen Arbeiten für die weltweit einflussreichsten Modezeitschriften und mit seiner ikonischen Ausgabe des Pirelli-Kalenders 1974, erreicht er Legenden-Status. 1983 fotografiert er Modelikone Iman für eine revolutionäre Kenzo-Kampagne. Und bis heute hat er seine Faszination für Eleganz und schöne Frauen nicht abgelegt. Wie übermenschliche Amazonen inszeniert er sie teilweise an den beeindruckendsten Orten der Welt. Und noch immer ist er unterwegs, auf seiner einzigartigen Fotografie-Reise. Es ist die Natürlichkeit und Purheit, die Feurer in seinen Bildern so einzigartig inszeniert. Ganz weit weg von der heutigen synthetischen Ästhetik, die uns zu viel und zu oft begegnet. Deshalb lieben wir als Fräulein-Team seine Arbeiten besonders.
Feurer ist damals 22 Jahre und arbeitet als Grafikdesigner und Art-Direktor. Spontan kauft er sich einen Land Rover und nimmt sich zwei Jahre Zeit, um die Schönheit Afrikas zu entdecken. Sein Entschluss, Fotograf zu werden, folgt schnell. Dass er in einer Sozialwohnung in Zürich aufgewachsen ist und mit Schwarzarbeit seine Kunstgewerbeschule zahlte, ist vielleicht der Grund dafür, dass Hans Feuer bis heute bodenständig, fast bescheiden wirkt. Zen-buddhistisch, beschreibt er sich selbst. Sein Geld? Muss er sich bis heute verdienen. Nach einem Brunch mit seiner Frau am Ostermontag beantwortet er unseren Anruf. Fast hätte er vergessen, dass dieser für ein Interview ausstand. Seine Antworten sind ehrlich und nüchtern. Manchmal lacht er ganz aufdringlich laut, so, als ob er sich selbst über seine Ehrlichkeit amüsiert. Seine Stimme ist klar und deutlich. Für seine 80 Jahre ist sein Gedächtnis beeindruckend. Und selbst den aktuellen COVID-19 Virus hat er ganz einfach weggesteckt. Ein Gespräch über nostalgischen und zeitgenössischen Luxus, über guten Geschmack und seine teuerste Lebensinvestition.
Sina Braetz: Was ist der größte Luxus, den Sie seitdem Sie heute Morgen aufgestanden sind genossen haben?
Hans Feuer: (lacht laut) Na ich würde sagen zwei Eier im Glas, die ich heute beim Brunch mit meiner Frau zusammen genossen habe. Das war großartig.
Sb: Wie hat die COVID-19 Krise Sie bis jetzt persönlich betroffen?
HF: Mit dem Virus hat sich tatsächlich meine Frau infiziert und dann traf es auch mich. Doch trotz dass ich ein Raucher bin, habe ich es gut überstanden. Der Virus fühlte sich für mich ähnlich an wie eine schwere Erkältung und verschwand nach einer Woche. Ich habe Glück gehabt. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass ich in der Vergangenheit einige Male an Malaria erkrankt war und mein Körper so gewisse Resistenzen aufgebaut hatte. Das Unglückliche war natürlich, dass zwei meiner Jobs so ins Wasser fallen mussten. Das ist ärgerlich, weil es interessante Aufträge waren, die nicht mehr so oft kommen. Ansonsten konnte ich die Zeit zu Hause aber sehr gut aushalten.
SB: Gehen Sie immer noch fischen?
HF: Leider nicht, ich habe in den letzten Jahren sehr viele Probleme gehabt mit meinem Rücken und ein paar schwere Operationen. Ich könnte vielleicht fischen in ganz leichten Linien aber mich hat immer das Meer viel mehr interessiert. Dort sind dann die Fische eher groß und dann wird das ganze zu einer sehr physischen Angelegenheit. Das kann ich jetzt nicht mehr, leider.
SB: Wenn sie größer denken, was bedeutet Luxus dann für Sie persönlich?
HF: Nichtstun. Das ist ein Luxus. Ja und ich habe eine Rolex, das ist schon auch Luxus. Aber ansonsten kleide ich mich praktisch die ganze Zeit gleich.
SB: Was für eine Rolex tragen Sie?
HF: Eine ganz klassische, einfache.
SB: Hat sich Ihr Bezug zu Luxus irgendwann in Ihrem Leben verändert?
HF: Nein, eigentlich nicht (lacht).
SB: Die glamourösen 60er und 70er Jahre in der Mode haben Sie nicht verändert?
HF: Nein. Die Zeit war eine Energie, die man zur Verfügung hatte. Ich bin ein Mensch, der nicht viel auf Sicherheit bedacht ist. Ich bin beispielsweise auch nicht reich, wie viele andere Fotografen. Ich muss mir mein Leben immer noch verdienen.
SB: Wie wichtig waren Ihnen damals Statussymbole?
HF: Ich hatte immer gern schnelle Autos. Das war – abgesehen vom Fischen – der einzige Luxus, den ich mir gegönnt habe (lacht laut).
SB: Was ist von den Modellen, die sie besaßen, Ihr Lieblingsauto?
HF: Zwischen 1965-72 hatte ich drei AC Cobras. Dieses Auto liebe ich wirklich sehr.
SB: Was für ein Auto fahren Sie heute?
HF: Heute fahre ich einen Alpina. Das ist auch nicht schlecht.
SB: Erinnern Sie sich an die teuerste Investition in Ihrem Leben?
HF: Meine zweite Heirat (lacht).
SB: Wie darf man das verstehen?
HF: Nun, daraus sind zwei tolle Söhne entstanden, die ich sehr liebe. Aber sonst war es eine sehr teure Angelegenheit. Ich möchte hier aber nicht ins Detail gehen.
SB: Linda Evangelista sagte einmal: „Bei mir und Christy gibt es das Sprichwort: Wir wachen nicht für unter 10.000 Dollar am Tag auf.“ Weckt das Erinnerungen in Ihnen?
HF: (lacht laut) „I don’t get out of bed.“ Ja, so war das damals. Und 10.000 Dollar waren damals gar nicht mal so viel. Es war wirklich unglaublich, was die Mädels früher verdienten, manche tun das ja auch heute noch.
SB: Gab es bei Ihnen ein Sprichwort?
HF: Nein. Ich betrachte mich bis heute als kunsthandwerklichen Söldner. Wenn ich gute Aufträge bekomme, versuche ich eine gute Arbeit zu leisten.
SB: Was sind Ihre besten Erinnerungen an die glamouröse Zeit der Mode?
HF: Das sind so viele. Wissen Sie, das war einfach die ganze Kultur damals. Die 60er und 70er Jahre waren schon einzigartig. Da war alles möglich. Die ganze Gesellschaft ist aufgebrochen und junge Menschen mit neuen Ideen hatten die Möglichkeit, diese zu verwirklichen. Das war das Großartige daran.
SB: Die Modewelt hat sich heute drastisch verändert. Wie blicken Sie auf diesen Wandel?
HF: Ihr Ausgaben-Thema „Luxus“ ist da schon sehr zentral. Heute hat die Mode oftmals nicht mehr sehr viel mit gutem Geschmack zu tun und sie zeigt sich in den letzen Jahren auch nicht sehr kreativ. Ich bin da ehrlich gesagt nicht überaus enthusiastisch. Ich habe das Gefühl, es fehlen die großen Persönlichkeiten, die damals einen besonderen Stil prägten. Mal schauen, was so in der nächsten Zeit passiert, es wird spannend.
SB: Sind Sie da positiv oder eher negativ gestimmt, was die Zukunft angeht?
HF: Ich bin Realist. Kein Wahrsager. Wir werden sehen, was passiert.
SB: Was denken Sie, wenn Sie zeitgenössische Modefotografie anschauen?
HF: So richtig eine Meinung habe ich dazu nicht. Wenn ich Modezeitschriften durchblättere oder jemand mir Bilder auf dem Computer zeigt, passiert es mir eigentlich fast gar nicht mehr, dass mich etwas überrascht oder mich fesselt oder mich wirklich interessiert. Es scheint alles so geleckt, so sterilisiert, so synthetisiert. Das berührt mich irgendwie nicht. Für mich definiert ein gutes Bild immer, wenn es für einen Moment anhält und in Erinnerung bleibt und nicht einfach so durchsaust. Ich sehe heute nicht mehr viel, das diesen Effekt hat auf mich. Vielleicht weil alles schon so überladen und übertrieben ist. So verliert es die Seele. Aber gut, so ist es eben heute in unserer synthetischen Welt (lacht).
SB: Ein zentrales Thema in Ihren Bildern ist ein freies Träumen. Glauben Sie, wir haben aufgehört, wirklich frei zu träumen?
HF: Ich weiß es nicht. Alles passiert heute so wahnsinnig schnell. Jeder lebt durch sein Handy mit diesen industriegefertigten Bildern. Was offensichtlich ist, ist dass wir immer mehr den Bezug zu der Natur verlieren und zur gleichen Zeit unseren Planeten zerstören.
SB: Ist es wahr, dass Sie bis heute kein Handy besitzen?
HF: Ja, das ist wahr. Nur die Menschen um mich herum besitzen eines.
SB: Hat das einen spezifischen Grund?
HF: Ich möchte nicht jederzeit available sein.
SB: Bill Cunningham sagte einmal: „Mode ist die Rüstung um die Realität des Alltags überleben zu können.“ Was sagen Sie dazu? Wie würden Sie Mode definieren?
HF: Ich glaube vielmehr dem, was Gottfried Keller schrieb: Kleider machen Leute. Menschen geben sich eine Persönlichkeit mit der Art, wie sie sich kleiden. Diese Seite der Mode hat mich schon immer sehr interessiert.
SB: Was ist Ihre ganz persönliche Idee von Eleganz?
HF: Ich habe da keine eigene Idee. Aber wenn ich mir die Tierwelt anschaue, seien es Vögel oder Gazellen, dann sehe ich den intensivsten Ausdruck von Eleganz.
SB: Kim Kardashian hat innerhalb der letzten Jahre eine ganz neue Ästhetik geprägt. Was halten Sie von ihr? Würden Sie sie fotografieren wollen?
HF: Dazu möchte ich mich nicht äußern, da ich schon einige Male telefonischen Kontakt mit ihrem Mann hatte. Und darüber möchte ich jetzt nicht reden.
SB: Hatten Sie damals eine besondere Muse, die Sie inspiriert hat?
HF: Eigentlich haben mich immer alle interessanten Frauen inspiriert, die ich fotografieren durfte. Zu bestimmten Zeiten gab es vielleicht schon die ein oder andere, die besonders inspirierend war. Ich habe viel und gern mit Stephanie Seymour gearbeitet. Davor, um 1968, habe ich viel mit Uschi Obermaier gemacht, die auch eine sehr gute Freundin geworden ist. Auch mit Christy Turlington oder Grace Jones habe ich gern gearbeitet.
SB: Wie war es, mit Grace Jones zu arbeiten?
HF: Das war immer sehr angenehm und sehr interessant. Wir waren damals alle noch ziemlich jung und eigentlich gute Freunde. Sie hat auch in ihren Memoiren darüber geschrieben. Es war immer ein Vergnügen, mit solchen tollen Frauen zusammenzuarbeiten. Auch unter den Coiffeuren, Coiffeusen und Makeup-Artists waren großartige Persönlichkeiten dabei.
SB: Sie haben 1975 Graces Jones mit goldenen Grillz für die Vogue Homme International fotografiert. Wie kam es zu dieser Idee?
HF: 1975 war das Internationale Jahr der Frau. Und dann gab es noch einen anderen Grund, warum Gold so populär war, daran kann ich mich aber nicht mehr erinnern. Beides gab mir die Idee, diese Prothese machen zu lassen. Mein Zahnarzt hat dann von Graces Jones einen Abdruck gemacht und eine Prothese aus reinem Gold erstellt, die man ganz einfach reinklicken konnte. Es war schon ein Riesenaufwand aber es hat alle amüsiert und Spaß gemacht.
SB: Haben Sie zu manchen der Frauen heute noch Kontakt?
HF: Ja, zu denen, die es noch gibt, schon (lacht). Ich bin langsam ein Dinosaurier, ein Überlebender.
SB: Wie sind Sie damals mit dem Druck Ihres Erfolgs umgegangen? Haben Sie jemals geglaubt, sich neu erfinden zu müssen?
HF: Ich habe mir eigentlich nie auf diese Art Gedanken gemacht. Und Druck? Nun manchmal gab es finanziellen Druck, aber sonst war es immer ein Vergnügen, es war ein super Trip und das ist es immer noch. So, es war sehr schön mit Ihnen zu reden.
SB: Aber ich war doch nicht gar nicht fertig.
HF: Wir reden doch schon seit über einer Stunde?
SB: Nicht ganz. Eine Frage noch: Was ist Ihr Ziel für dieses Jahr?
HF: Ich habe kein Ziel. Leben und genießen. Ich bin sehr zen-buddhistisch in meiner philosophischen Einstellung. Ich genieße den Moment.
SB: Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Feurer.
HF: Ich danke Ihnen. Es war mir ein Vergnügen mit Ihnen zu sprechen. Sie dürfen mich auch zurückrufen, wenn sie doch noch etwas Dringliches klären wollen (lacht).
SB: Hervorragend. Herzlichen Dank und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Sina Braetz
Bilder Galerie und Beitragsbild: Hans Feurer / Courtesy of CAMERA WORK
Bild mit goldenen Grillz: Grace Jones by Hans Feurer / Residence Agency / Trunk Archive
Hans Feurer wird weltweit exklusiv von der Galerie CAMERA WORK vertreten (www.camerawork.de)