Die avantgardistische Mode der Designerin revolutioniert unsere Ästhetik.
Fräulein Legende: Rei Kawakubo
Fernab von jeglichen Modekonventionen, fasziniert uns die Designerin Rei Kawakubo mit ihren individualistischen Visionen und ihrem künstlerischen Dasein. Die Mode der Gründerin und Designerin von Comme des Garçons ist so divers und komplex wie die Japanerin selbst. Das Avantgarde-Label Comme des Garçons durchbrach 1981 die Modewelt in Paris, wo auch Kawakubos Shows seitdem jede Saison präsentiert werden, als die japanische Designerin entschied, sich der damals in Europa allgegenwärtigen glamourösen Extravaganz eines Gianni Versaces oder Thierry Muglers zu widersetzen und mit ihrer ganz eigenen, gesetzlosen Ästhetik neue und kunstvolle Maßstäbe zu setzen. Die Kollektionen spiegeln meist eine verhüllte Sehnsucht nach romantischen Fantasien wieder. Mal sind die Teile ausgebeult, mal verformt. Bei Comme handelt es sich nicht um bloße Kleidung, sondern um eine anarchische Kunst, geschaffen von dem wohl größten Mysterium der Mode.
Kawakubo, die in Tokio Kunst und Literatur studierte, begann ihre Karriere als freie Stylistin und gründete 1973 ihr Label. Seither kreiert sie in ihrer Kunst, losgelöst von allen weiblichen Idealbildern, skulpturale Silhouetten und schafft so progressive Formungen. Sie ist trotz ihrer großen, ehrfurchtsvollen Macht im Fashion Business eine schweigsame und stille Persönlichkeit. Sie gibt selten Interviews und ist rätselhaft in ihrem öffentlichen Erscheinungsbild. Wenn sie zur Sprache kommt, lässt sie Adrian Joffe, der seit 26 Jahren ihr Ehemann und der Präsident von Comme des Garçons ist, sowie als Entscheider neben ihr im Unternehmen gilt, als Dolmetscher fungieren. Er hat auch eine der wichtigsten Bereiche im Unternehmen entwickelt, die “Dover Street Market”-Concept-Stores. Diese entscheiden über den Werdegang von aufstrebenden Designern und fördern sie. Während er in Paris lebt, wohnt sie in Japan und spricht lediglich Japanisch.
Ihr Ehrgeiz als Revolutionärin der Mode verlangt ihr viel ab. Sie designt vier Kollektionen im Jahr und mit jeder Saison will sie etwas Neues, noch nie zuvor Geschaffenes entwerfen. Der Perfektionismus der Avantgarde-Designerin kennt weder Maß noch Grenzen. Stets versucht sie sich mit andersartigen Kreationen von Season zu Season selbst in ihrer Kreativität zu übertreffen. Vergangene Kollektionen betrachtet sie sogar als nicht zufriedenstellend. Die Japanerin ist mit ihrer Kunst in einem niemals endenden Prozess, immer auf der Suche nach Optimierung ihrer Werke. Während die Kollektionen in Paris für den Alltag untragbare Kleidung darstellen, hat sie die Play-Linie von Comme des Garçons noch entwickelt und Comme mit einem Herz-Logo sowohl bezahlbar als auch alltagstauglich gemacht.
Neben ihrer künstlerischen Weitsicht und unternehmerischen Erfolgs kümmert sie sich auch um den Nachwuchs in der Mode und fördert ihren Erfolg. Junya Watanabe, der ihr Schützling ist und früher als ihr Schnittmacher agierte, hat seit vielen Seasons eigene Shows in Paris, die mit großer Aufmerksamkeit von der Modewelt verfolgt und verehrt werden. Kawakubos Belastbarkeit scheint unerschöpflich zu sein. Schließlich betreut der Creative Director aller Comme des Garçons Kollektionen noch die Marken der Designer, die Rei Kawakubos selbst supportet, stets auf der Suche nach etwas Andersartigem, noch nie Dagewesenem.
Text: Yamur Cellik
Bild: Eiichiro Sakata / Courtesy of Comme des Garçons