Warum Heldinnen keine Waffen benötigen.
Neue Heldinnen braucht das Land
Die jüngste Feminismus-Debatte haucht Helden neues Leben ein. Am Internationalen Weltfrauentag ehrten unzählige Magazine, Zeitungen und die digitalen Medien die stillen, die authentischen und die ausgewählten Heldinnen – die Heldinnen des Alltags.
Klassische Helden sind tapfer, mutig und gerissen. Sie sind schlauer und stärker als der Rest der Welt. Und selbstverständlich sind Helden klassisch männlich, auch wenn sie als (biologisch) weibliche Protagonistin im Film auftreten. Dieses Bild – dieser Mythos – des männlichen Heldens ist historisch tief verankert.
Die Geschichte von Helden ist eine Geschichte von Männern.
Schon in der griechischen Mythologie waren die bekanntesten Helden Männer, darunter Herakles, Thesus, Perseus und Achilleus. Die Antike lehrte uns die Definition von Helden, von Männern, die zu großen und kühnen Taten bereit waren. Krieger, die aufgrund ihrer Ritterlichkeit verehrt und bewundert wurden. Später wurden Helden klassische Soldaten des Militärs. Sie wurden nahezu heroisiert in Zeiten großer Not, um Kampfgeist und Durchhaltevermögen der Männer zu stärken. Den Titel der Helden (Heros) wird in den Vereinigten Staaten von Amerika noch immer, im Krieg Gefallenen oder im Einsatz verstorbenen Feuerwehrmännern, verliehen. Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg erlosch dem gegenüber in der Bundesrepublik Deutschland der Zauber, der Helden bisweilen beiwohnte. Eine heldenbegeisterte Generation wich einer skeptischen Generation der Nachkriegszeit.
Die Geschichte von Helden ist eine Geschichte von Männern. Die Definition des Begriffs verbindet eine unausweichliche Verknüpfung von Männlichkeit und Krieg. Frieden ist weiblich, Gewalt und Krieg hingegen sind männlich. Kein Wunder also, dass man uns Frauen bisher fälschlicherweise als Heldinnen aus den Geschichtsbüchern strich. Selbstverständlich gibt es auch eine Geschichte weiblicher Kriegerinnen und Kämpferinnen, die der Definition des (männlichen) Helden in nichts nachsteht. Nur die wenigstens wissen vermutlich, dass die „männliche“ Jagd der Steinzeit, der heldenhafte Kampf um Nahrung, eine familiäre Tätigkeit war. Erst die Pirsch, die eine Mitnahme kleiner Kinder unmöglich machte, verbannte die Frau ins häusliche Heim. Ebenso verfügte das westafrikanische Königreich Dahomey über zwei Jahrhunderte hinweg (1700 – 1900) über eine Frauenarmee. Nicht zu vergessen das kriegerische Frauenvolk der Amazonen, die bereits in antiken Schriften im Zusammenhang mit dem Trojanischen Krieg genannt wurden.
Helfen, aber nicht kämpfen, hieß die Parole die für deutschen Frauen bis einschließlich Dezember 2000 galt. Damit manifestierte der Artikel 12a des Grundgesetzes über Jahrzehnte hinweg die stereotypen Geschlechterrollenbilder in der Gesellschaft. „ Sie [Frauen] dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“ besagte die alte Gesetzesfassung. Seit der Änderung vor nun über 18 Jahren, ist es Frauen erlaubt ohne Einschränkungen den Wehrdienst anzutreten. Dies ist auch 2019 nicht in allen Ländern möglich.
Mit Beginn des Ersten Weltkriegs erhielten Frauen eine Nebenrolle, auf dem exklusiv männlich definierten Schlachtfeld. Ihrer Führsorgerolle entsprechend, setzte man sie zur Betreuung und Pflege verwundeter Soldaten und Zivilsten ein. Der Verlust vieler Männer an der Front und der dadurch ausgerufene Notstand während des Zweiten Weltkrieges, ermöglichte Frauen dann sogar noch tiefere Einblick in die (männlich) militärische Welt. Neben ihren Sanitätstätigkeiten als Krankenschwester besetzten sie Positionen in der Nachrichtenübermittlung, bei der Flugabwehr oder in den Militärsstäben. Ein direkter Einsatz an der Front, ebenso der Besitz und Einsatz von Waffen, blieb ihnen strengstens untersagt. Einzige Aufgabe, der von der Ideologie des Nationalismus geschaffenen Kriegerinnen, galt der Sorge um den Mann. Den Helden des Landes hatten sie mit all ihrer Kraft den Rücken freizuhalten.
Starke und sexy Frauen mit Waffen!
Auch etwa achzig Jahre später ist eine tötende Frau ein gesellschaftliches Tabu. Zu lange hielt man das Bild der friedlichen, treuherzigen, nahezu dümmlichen (Haus-)Frau aufrecht. Frauen mit Waffen – Frauen die sich wehren – lösen daher noch immer Verwirrung nahezu Entrüstung aus. Filme der Anfänge des 21. Jahrhunderts wie Kill Bill oder Tomb Raider wirkten nahezu revolutionär. Starke und sexy Frauen mit Waffen!
Uma Thurman als auch Angelina Jolie repräsentieren einen Typus Frau, der über stereotypisch männlich konnotierte Eigenschaften verfügten. Fast erschien es, als habe man mit aller Macht versucht die (Helden-)Stärke des Mannes in übertrieben sexistisch dargestellte Frauenkörper zu pressen. Ein Bild, dass in den vergangenen Jahren endlich erkannt und zurecht kritisiert wurde.
Seit der Fall des Produzenten Harvey Weinstein öffentlich wurde, ist sexualisierte Gewalt in Hollywood und andernorts wieder ein Thema. Im gleichen Atemzug entfachte eine erweiterte Diskussion über mangelnde Gleichberechtigung in der Gesamtheit der kreativen Gemeinschaft der Filmindustrie. Die Kritik fruchtete. Vergangenes Jahr gelangen Regisseurinnen Welterfolge und viele der Hauptprotagonisten wurden weiblich. Zuletzt feierte man den US-amerikanischen Science-Fiction-Film “Captain Marvel” und mit ihm die Geburt einer feministischen Superheldin.
Also ein Erfolg? Helden dürfen also doch weiblich sein?
Die Frage die bestehen bleibt ist, in welcher Form das weibliche Heldenformat starken und emanzipierten Frauen gerecht wird. Müssen Frauen in Superheldenkostüme gezwängt werden, Waffen tragen und mit magischen Kräften gegen Schurken und Banditen kämpfen?
Heldinnen müssen nicht die Position der männlich definierten Helden einnehmen. Sie müssen nicht ihnen ähnlich sein und nur dabei Frau sein. Die Aufgabe scheint daher eher einen Begriff für Heldinnen neu zu definieren, wenn nicht sogar zu erschaffen.
Heldinnen der Gegenwart müssen keine Superkräfte haben. Heldinnen sind stiller, sie kämpfen im verbogenen und kommen ohne große Bewunderung aus. Ihre Ziel und Kampf gilt gesellschaftlichen Minderheiten. Verändertes Unterhaltungskino, dass so realitätsverzerrend wie auch pathetisch daherkommt, darf nicht als ein Siegeszug des Feminismus missverstanden werden.
Menschen brauchen Helden und Orientierung ist ein Urbedürfnis. Wir brauchen Vorbilder, von denen wir lernen können. Vorbilder, die so realistisch sind, dass wir uns mit ihnen identifizieren können. Dieses Verständnis muss wieder zum Mittelpunkt der Filmindustrie werden. Zum Glück haben wir bereits Veränderungen spüren können. Besonders Regisseurinnen schafften es Frauen in ganz neues Licht zu setzen.
Held sein hat weder Bezug zu Gewalt noch braucht es dafür einen Mann. Einige Filme des letzten Jahres verkörperten erfolgreich diese neuen Heldinnen. Unsere Aufgabe ist es nur diese zu erkennen als das was sie sind: wahre Helden!
Text: Teresa Löckmann
Bild: Unsplash