Wann ist etwas für dich gut?
Gute Frage. Ist es gut, wenn andere Leute darauf reagieren und es wahrnehmen? So ist es mit Flaneur. Doch worauf basiert diese Aufmerksamkeit? Geht es um das junge blonde Mädchen? Oder um das Magazin?
Kannst du dir selbst nicht richtig erklären, wie du zu der ganzen Aufmerksamkeit kommst?
Ich glaube schon, dass ich gute Arbeit mache, aber ich mache sie natürlich auch nicht alleine. Klar, ich hatte die Grundidee, im Flaneur-Magazin immer eine andere, spezielle Straße vorzustellen und finanzierte alles. Zum Team gehören aber auch Johannes und Michelle von Yukiko, die Designer, und Grashina und Fabian, die die Redaktion machen. Trotzdem haben sich die Medien total auf mich gestürzt. Das ist etwas, was ich noch lernen muss – stolz auf mich zu sein. Diese Forbes-Nummer wollte ich gar nicht teilen, weil mir Aufmerksamkeit teilweise immer noch unangenehm ist.
Gibt es in deiner Familie andere Kreative oder Selbständige?
Mein Papa ist selbstständig. Ich habe vor Kurzem herausgefunden, dass mein Urgroßvater einen kleinen Verlag hatte. Die Familie von seiner Seite kommt aus Lettland. Mein Urgroßvater Salomon ist im Zweiten Weltkrieg umgekommen. Er kam aus dem Modebereich und hat um 1900 eines der wichtigsten Schnittbücher vertrieben. Er hatte auch ein Modegeschäft.
Wie hast du das herausgefunden?
Ich habe begonnen, mich mit der Familiengeschichte zu beschäftigen und erfahren, dass mein Urgroßvater und andere Familienmitglieder von den Nazis umgebracht wurden. Im Zuge dessen habe ich letztes Jahr mit der jüdischen Gemeinde in Lettland Kontakt aufgenommen und die haben mir unglaublich viel Material zugeschickt, unter anderem eben auch die Verlagstätigkeit von meinem Urgroßvater.
Du wohnst ja wieder in der Wohnung deiner Kindheit …
Als ich aus New York wieder nach Berlin kam, war die erste Wohnung, die meine Mama damals hatte, frei. Was für ein Zufall! Es gibt Videoaufnahmen von meinem ersten Geburtstag, in dieser Wohnung. Ich bin zur Hausverwaltung gegangen und habe denen davon erzählt. Jetzt wohne ich schon seit drei oder vier Jahren in der Straße, wo ich als kleines Kind immer langgeschoben wurde.
Was sind deine Vorstellungen für deine Zukunft?
Ich will definitiv viel mehr machen, als ich jetzt schon mache. Ich habe so viele Ideen. Ich würde gerne mehr experimentieren. Der Verlag soll sich außerdem nicht nur auf Print konzentrieren: das Motto ist PUBLISHING DREAMS und jede Geschichte muss in dem für sie passenden Medien Format publiziert werden. Ich versuche auch gerade einen ersten Dokumentarfilm zu produzieren.
Du denkst vor allem an die Arbeit?
Total! Das Ding ist, dass ich es nie als Arbeit betrachte.
Es scheint dir ein Anliegen zu sein, Themen auszuwählen, die dir persönlich am Herzen liegen, die du den Lesern mitgeben möchtest.
Ich glaube mir ist es einfach wichtig, dass die Leute etwas fühlen, berührt werden. Vielleicht will ich auch einfach wissen, dass ich nicht die Einzige bin, die irgendetwas fühlt und dadurch mit mehr Menschen in Kontakt treten.
Um nicht allein mit den Themen zu sein?
Ja. Zum Beispiel ein aktuelles Website Projekt, das LIKE ME…NOW heißt. Das ist eine Sache zur digitalen Selbstpräsentation, die ich seit vier Jahren machen wollte. Als ich damals aus New York gekommen bin, habe ich ein Facebook-Profilbild hochgeladen, bei dem man denkt: Happy in New York. Dabei war es eines meiner letzten Bilder, die ich in New York gemacht habe. In der Zeit war ich am Boden zerstört. Für das Projekt habe ich einfach mehrere Leute angeschrieben, damit sie mir die Geschichte hinter ihrem Facebook-Profilbild erzählen. Das ist so super interessant. Es geht nicht darum, dass jede Geschichte depressiv oder traurig ist. Aber es reicht einfach nicht, sich nur die Bilder anzugucken. Es ist schön, mehr zu erfahren. Ich bin für digitale Empathie.
(Ricarda bemerkt, dass sie eine Deutschlandflagge gemalt hat, und lacht).