Marie Kondo: Minimalistisches Aufräumen für Haus und Seele

vor 7 years

Nur das behalten, was uns Freude bereitet? Muss alles Andere wirklich weg? Seit Jahren steht Marie Kondos langausgefeilte Aufräumstrategie synonym für den inzwischen omnipräsenten Minimalismustrend und erfordert sowohl ein radikales Mindset als auch viel eigenständige Herumprobierei – die Auseinandersetzung mit Kondos Philosophie lohnt sich in jedem Fall.

Minimalismus evoziert Bilder von klaren Linien, Symmetrien, Balance und Neutralität. Ob in Garderoben, Wohnungen oder diversen Kunstformen: vordergründig zum ästhetischen Trend geworden, erscheint Minimalismus durch die zunehmende Flut an derartig etikettierten Social-Media-Feeds wie ein Fetisch, eine Wette. Diejenigen, die die meisten asketischen Momente im übervollen Alltag finden oder idealerweise für sich selbst kreieren, gewinnen – eine Wette, der oft vorgeworfen wird, dass sie nicht über modische Oberflächenstrukturen hinausreicht. Indem die junge Japanerin Marie Kondo jedoch eine Lebensphilosophie hinter ihre inzwischen weltweit erfolgreiche Aufräumstrategie stellt, hat sie Millionen an Leser*innen überzeugen können – und Berge an buchstäblichem wie mentalen Clutter versetzt.

Denn darum geht es: ihre in vier Bestsellern festgehaltene „KonMari“-Methode ist nicht nur eine Ansammlung von Hacks für die Praxis, sondern zielt auf eine primär geistige Bereicherung ab. Ganz nach dem Motto: aufgeräumte Wohnung gleich aufgeräumte Seele. Wie festgestellt werden kann, was aussortiert gehört? Seit der Veröffentlichung ihres ersten Buches „The Life-Changing Magic of Tidying Up“ brannte sich vor allem eine Frage als Kondos Kernmantra in die Köpfe ihrer Leser*innen.

Do your things spark joy?

Was also keine Freude bereitet, sollte rigoros und permanent verworfen oder in andere Hände gegeben werden. Kondo empfiehlt dabei, Stationen abzuarbeiten: erst Kleidung, dann Bücher, danach Papierkram und andere Gegenstände, zuletzt Erinnerungsstücke. Alles soll einzeln in die Hand genommen werden und gehört danach mit Dankbarkeit entweder zurück an einen festen Platz gestellt oder ausrangiert. Es geht Kondo um Nachhaltigkeit, Verschwendungsdezimierung und Qualität, einen Paradigmenwechsel vom Objekt zum Subjekt. Weniger Geld soll am Ende für Materielles ausgegeben werden, mehr für Zwischenmenschlichkeit und Erfahrungen.

Viele kleine Schritte zieren den von ihr gezeichneten Weg zu einer dauerhaft aufgeräumten Wohnung – von bestimmten Falttechniken für Kleidung bis hin zur Aufstellung einer fixierten Ruhezone – wobei die „KonMari“-Methode sich quasi seit Kondos Kindheit in Arbeit befindet: so arrangierte sie bereits als Fünfjährige gern Schuhe und Stifte herum und führte schließlich ein Beratungsunternehmen für Organisationsstrategien in Tokio, bevor sie mit ihren Büchern internationalen Erfolgsstatus erreichte.

Was Trial-and-Error für Kondo war, ist letztendlich auch Trial-and-Error für ihre Leser*innen. Kritische Stimmen adressierten etwa die Tatsache, dass nicht alle sich leisten könnten, so wählerisch mit Besitztümern umzugehen. Außerdem könnte nicht jeder Gebrauchsgegenstand – ob Socke oder Schraubenzieher – ausdrückliche Freude bereiten, so wie nicht jedes Souvenir oder Erbstück einen größeren Sinn erfüllt, als Erinnerungen festzuhalten. Genau, weil die Methode eben zum Individualisieren einlädt, ist sie jedoch eine profitable Mission. Ganz egal, ob man sich an Kondos oder dem eigenen Ordnungs- und Nostalgiesinn zum Behalten oder Aussortieren orientiert, ganz egal, ob Sammler oder Minimalist – die Frage nach der Wertschätzung des eigenen Besitzes, welche Kondo maßgeblich präsent hält, ist für jeden essenziell.

 

Text: Dieu Linh Nguyen Xuan

Bild: Web Summit & Unsplash

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