Unsere Autorin Antonia wundert sich darüber, dass auf Instagram alle Brüste die Form von kleinen, knackigen Pfirsichen haben. Zeit für ein neues Körperbild.
Schluss mit dem Boob-Shaming!
Brüste sind im öffentlichen Leben nicht gerade unterrepräsentiert. Wer regelmäßig U-Bahn fährt, verbringt einen großen Teil Lebenszeit damit, auf die Dekolletés frisch verliebter Parship-Models oder H&M-Amazonen zu starren. Dabei richten sich Form und Größe der Brüste, die wir zu sehen bekommen, seit jeher nach den Moden der Zeit. Die üppigen Kurven der 50er-Jahre und der Magerlook einer Twiggy trennten nur ein paar Jahre. Es obliegt auch immer ein bisschen dem Zufall, ob der eigene Körper gerade in die Normenschablone passte oder nicht.
Heute ist diese Schablone so rigide wie eh und je. Das ist verwunderlich, ist man doch eigentlich davon ausgegangen, dass die viel zitierte Demokratisierung der Mode durch Blogs und Social-Media-Plattformen eine differenziertere Darstellung von Körperbildern begünstigen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Vor allem Instagram, das sich zu einem Katalysator für nahezu jeden aktuellen Food- und Fitnesstrends entwickelt hat, verbreitet das Immergleiche mit enormer Vehemenz und prägt damit unsere Vorstellung des Körpers. Man trifft in der Sphäre der hippen Lifestyle-Feeds vor allem auf zwei Typen: einerseits die durchtrainierten Fitness- und Yogakörper mit den perfekten muskulösen Oberarmen (von Ab-Crack und Thig-Grap gar nicht zu reden), geschönt mit Pastell-Weichzeichner als Ausweis des Optimierungsimperativs. Andererseits, in unendlichen Feeds, ein irgendwo zwischen Kunst, Popkultur und Softporno vermeintlich unorthodoxes, freieres Körperbild. Keine Models, sondern Kunststudentinnen, „Frauen wie du und ich“, die „selbstbestimmt“ sind und sich manchmal eben auch gerne im Geiste eines Terry Richardson ablichten (lassen).
"Feminismus ist OK, so lange er kein Sexappeal hat"
Das Problem ist nur, dass diese vermeintliche Abweichung vom Diktat des perfekten Modellkörpers lediglich in den pseudorevolutionären behaarten Achselhöhlen besteht. Ansonsten sind diese Frauen nämlich auch ziemlich stromlinienförmig, dünn und burschikos in einem Ausmaß, dass ihre Körper an die von jungen Mädchen erinnern.
Dabei ist vor allem das hier reproduzierte Brüste-Ideal das Körpermerkmal, welches besonders dafür geeignet ist, den aktuellen Zeitgeist widerzuspiegeln. Ob nun in enganliegende Sport-BHs gezurrt oder versteckt hinter lustigen Emoticons. Fitnessmodels oder pseudo-natürliche Kunststudentinnen, sie alle haben diese perfekten kleinen Pfirsichbrüste, auf denen die immer gutgelaunten Smilies tanzen.
Damit es kein Missverständnis gibt: das wird hier kein Plädoyer für prallere Brüste in sozialen Medien. Und es soll auch nicht darum gehen, dass der eine Körper weiblicher ist als der andere. Aber es ist wichtig sich zu fragen, was hinter diesen Körperbildern steckt, die wir da präsentiert bekommen. Brüste und Emanzipation, das Thema war schon in der griechischen Mythologie ein Dauerbrenner: Die Amazonen haben sich, um besser Bogenschießen zu können, eine Brust abgeschnitten. Aus dem Mittelalter stammt die Legende von der heiligen Agatha von Catania, der, als sie sich weigerte den für sie vorgesehen Mann zu heiraten, beide Brüste abgetrennt wurden. Brüste sind ein besonderes Zeichen von Weiblichkeit, dem Männer nicht nur verfallen, sondern das sie auch einschüchtern kann. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Amazonen nicht nur als starke, emanzipierte Kriegerinnen in die Geschichte eingegangen sind, sie galten auch als männermordend. Es spricht vieles dafür, dass sich dieser Mythos klammheimlich in die Gegenwart gerettet hat.
Die ist bevölkert von Mädchen vom Typ Francois Sagan, deren Attraktivität und Sexappeal einer mädchenhaften Unschuld entspringt. Die üppigen Rundungen sind dagegen nach und nach in die schummrig beleuchtete Sphäre der Erwachsenenfantasien ausgelagert worden. Die Mainstreamkompatibilität einer Kim Kardashian bestätigt da nur die Regel, verkauft sie sich unter dem Dach des Trash-Schicks. Große Brüste gelten, sei es in den Medien oder im Alltag, als obszön.
Wer sich heute mit Körbchengröße A in einen eng anliegenden Body mit tiefem Ausschnitt wirft, wird kaum für Aufsehen sorgen. Tut das eine Frau mit Körbchengröße D, zieht sie nicht nur Aufmerksamkeit auf sich, sondern sorgt auch für Irritation. Männer sehen dann nur noch die Frau mit der Oberweite. Auch Frauen sind dem Boob-Shaming gegenüber nicht immun. Die absurde Diskussion, ob Emma Watson mit ihrem Covershoot für die Vanity Fair die Ideale des Feminismus verraten hat, illustriert das sehr gut. Feminismus ist heute nur OK, so lange er kein Sexappeal hat – dann wird er nämlich gefährlich.
Beitrag: Antonia Märzhäuser
Fotos: Ambera Wellmann
Der Beitrag ist in der Fräulein Ausgabe Nr. 21 erschienen.