Die schwedische Regisseurin Erika Lust gehört zu den wichtigsten Stimmen der feministischen Pornoindustrie.
Interview: Erika Lust
Nach ihrem Studium der Gender Studies und Politikwissenschaft ging Erika Lust nach Barcelona und begann dort Pornofilme zu drehen. Es sind aber keine Pornos, in denen Frauen nur zum Vergnügen des Mannes gezeigt werden. Sie haben selbst Spaß daran. Für Erika Lust sind Pornofilme besonders für junge Leute wichtig, um so über die vielen Facetten der Sexualität zu erfahren. Anders als die Filme von Erika Lust zeigen die meisten Pornos noch immer eine verfälschte Darstellung von Sexualität und illustrieren ein eher diskriminierendes Bild der Frau. Das will die schwedische Regisseurin mit ihren Filmen ändern. „Sex can be dirty, but the values have to be clean“, sagte sie 2014 während einer Konferenz. Das könnte das Motto einer neuen Generation der Pornoindustrie werden.
Fräulein: Warum braucht die Pornobranche heute mehr Frauen denn je?
Erika Lust: Frauen machen mehr als die Hälfte unserer Bevölkerung aus. Sie haben das Recht ihre Ideen und Gedanken über Sex frei zu äußern und das bedeutet, dass sie ebenso ihre sexuellen Fantasien ausleben und diese auch mitteilen dürfen. Es gibt aber noch immer einen sehr großen Bedarf an Frauen in der Pornoindustrie. Ich will Filme drehen, die die Sichtweise der Gesellschaft auf Sexualität ändern. Ich will zeigen, dass Sex sehr schön sein kann, aufregend, wunderbar und vor allem sehr positiv. Ich will Filme machen, in denen Frauen nicht nur Sexobjekte sind, sondern komplexe, sexuelle Wesen, mit eigenen Vorstellungen und Leidenschaften, die Respekt verdienen, auch wenn sie nackt sind. Aber auch Männer sind nicht nur gefühllose Sex-Maschinen.
Sind die Menschen denn bereit für feministische Pornofilme?
Oh ja! Die Leute sind definitiv bereit. Es gab lange sehr viele gute, weibliche Pornofilm-Regisseurinnen und jetzt wird es Zeit für offene Gespräche über Sex und die Darstellung von Sex in den Medien sowie in Pornofilmen. Die feministische Bewegung in der Pornoindustrie ist stärker denn je, dank Regisseurinnen wie Vex Ashley, Ovidie, Jennifer Lyon Bell, Sonya JF Barnett und Jacky St James, um nur ein paar Namen zu nennen. Zuhause in Schweden haben zwei junge Frauen eine Webseite gelauncht, mit dem Titel „New Level of Pornography“. Dort bieten sie kostenlose und alternative Pornos an. Ich sehe positive Fortschritte von Jahr zu Jahr.
Ist Spanien das Land, in dem du die meisten deiner Filme drehst? Sind die Menschen dort offen für derartige, neue Pornofilme?
Ja, denn ich finde, dass Barcelona eine sehr sexy Stadt ist. Es herrscht dort eine sehr sinnliche Energie, insofern ist es der perfekte Ort für mich um zu arbeiten. Im Sommer können wir draußen wunderschöne Szenen drehen und auch so haben wir das ganze Jahr über die Möglichkeit coole Locations und wunderschöne Gebäude zu nutzen. Ich glaube, dass es eine der schönsten Städte der Welt ist. Generell sind die Leute hier sehr offen, wenn es darum geht über Sex und Erotik zu reden. Wenn sich die Menschen schon fast nackt in der Sonne bräunen, dann stört es sie auch nicht ein bisschen Sex in Filmen zu sehen. Es ist schließlich ganz normal.
Wo sind die Menschen am offensten für derartige Veränderungen? Es scheint so, als gäbe es momentan zwei unterschiedliche Bewegungen in unserer Gesellschaft. Einerseits gibt es zunehmend mehr Rechte für Frauen und LGBT-Menschen, anderseits gibt es gerade überall in Europa radikale Denkweisen, wie etwa Pegida oder Front National…
Das ist richtig. Es gibt eine sehr beängstigende, rechte Welle, die sich in der Welt ausbreitet. Aber ich kann nicht aufhören das zu tun was ich tue, nur weil es so viele ängstliche Menschen gibt, die sich vor etwas Unbekanntem fürchten und denken, dass all ihre Probleme durch Migranten ausgelöst werden. Wir müssen unser Leben weiter leben. Ich glaube an das Leben, die Liebe und die Lust. Und je mehr Ungerechtigkeit und Angst ich in dieser Welt sehe, desto stärker verspüre ich das Gefühl, wie wichtig die Liebe und die Botschaft von Freiheit ist. Darum geht es bei meiner Arbeit.
Was denkst du über Politiker die sich selbst inszenieren, wie zum Beispiel Donald Trump, der über die Größe seines Penis im Fernsehen geredet hat?
Haha! Oh Gott… Er ist wie ein schlechter Witz, aber ein Witz, der womöglich der Präsident der USA werden könnte. Go Hillary!
XConfessions basiert auf Geschichten und Fantasien, die du von unterschiedlichen Leuten bekommen hast. Wie hat das angefangen?
Mit XConfessions habe ich angefangen, weil ich Filme über echte Fantasien, Erinnerungen und Geschichten von Menschen auf der ganzen Welt machen wollte. Außerdem war ich sehr neugierig zu sehen welche Art von Storys die Leute mir schicken würden! Ich habe die Webseite gelauncht und kurz darauf haben mir viele Menschen sehr viele tolle Geschichten geschickt, darunter sehr erotische, aber auch viele lustige Fantasien. Da wusste ich, dass es etwas sehr Besonderes war und dass diese Geschichten super Scripts werden könnten. Die XConfessions Films sind das Resultat.
Nach welchen Kriterien entscheidest du dich für die eine oder die andere Story?
Ich bekomme wie gesagt Geschichten und Fantasien von unterschiedlichen Personen und jeden Monat suche ich mir zwei daraus aus und verfilme sie in Form von Kurzfilmen. Es macht Spaß diese Geschichten zu lesen. Es ist wirklich unglaublich die intime und erotische Welt fremder Menschen zu betreten. Es ermöglicht mir Fantasien in die Realität umzuwandeln.
Kannst du uns von deinen Darstellerinnen und Darstellern erzählen?
Ich arbeite mit sehr verschiedenen Protagonistinnen und Protagonisten zusammen. Einige von ihnen haben schon Erfahrungen in der Pornoindustrie gesammelt, andere weniger. Einige sind nur Amateure und wollen keine Karriere machen. Sie sind alle sehr individuell, aber was sie alle gemeinsam haben, ist, dass sie alle intelligent sind und Sexualität sehr positiv gegenüberstehen. Die Darsteller von XConfessions sind die coolsten Leute die ich je getroffen habe.
Wer sind deine Zuschauer?
Frauen und Männer (40-60%), die etwas anderes sehen wollen, als langweilige, billige und oft sehr sexistische Filme der Mainstream Pornoszene.
Warum müssen die Mitglieder zahlen, um die Filme zu sehen? Um die Produktion der Filme zu finanzieren? Denkst du nicht, dass es ein Problem sein könnte, dass die Leute keinen kostenfreien Zugang zu deinen Filmen haben?
Ich muss dafür Geld nehmen, um meine Filme zu bezahlen. Wenn du Pornofilme wie richtige Filme produzierst ist es sehr teuer. Ich habe ein großes Team von 15 Leuten, die mit mir zusammen arbeiten. Deshalb kann ich meine Filme nicht kostenlos anbieten, auch wenn das hin und wieder mal passiert. Man kann es natürlich nicht verhindern, dass die Filme irgendwo im Internet landen.
Warum gibt es keine Gay-Filme, in denen zwei Männer zu sehen sind oder ältere Leute, sowie etwas kurvige und Plus-Size Persönlichkeiten?
Ich kann nicht alle Charaktere in jedem meiner Filme einschließen, da ich ganz alleine diese Filme mache, als Einzelperson. Ich finde es toll viele verschiedene Leute zu zeigen, aber es ist nicht immer einfach. Es stimmt, dass der letzte Volume-Film keine Szene zwischen zwei Männern zeigt, aber dafür zwei unglaubliche Schauspieler: Mickey Mod und Luna Corazon. Es ist sehr wichtig für mich, dass ich die richtigen Darsteller für meine Filme finde. Ich wähle sie nicht nur auf Grund ihres Körpers aus. Es geht viel mehr darum wer sie sind. Mein Rat für alle die mich fragen, lautet: Macht eure eigenen Filme und versucht das umzusetzen was ihr persönlich sehen möchtet.
Was sind deine nächsten Projekte?
Ich arbeite gerade an einer Adaptation meines Erotikromans La Cancion de Nora. Es ist interessant zu sehen was dabei rauskommt. XConfessions läuft auch noch und wird immer größer. Ich möchte in diesem Jahr außerdem neue Technologien ausprobieren, wie zum Beispiel Virtual Reality. Es bleibt also spannend!
Fotos: Filmstills aus XConfessions
Portrait: Erika Lust
Interview: Milena Bialas